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BGer 6B_107/2021 vom 18.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
6B_107/2021
 
 
Urteil vom 18. Mai 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiber Stadler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG in Liquidation,
 
vertreten durch Advokat Dr. Caspar Zellweger,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Bundesanwaltschaft,
 
Guisanplatz 1, 3003 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Einziehung von Vermögenswerten; Willkür, Rechtsverweigerung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts, Berufungskammer, vom 16. Dezember 2020 (CA.2019.33).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Im Rahmen einer umfangreichen Strafuntersuchung gegen den mittlerweile verstorbenen B.________ wegen gewerbsmässigen Betrugs etc. liess die Bundesanwaltschaft mit Rechtshilfeersuchen vom 8. April und 29. September 2005 an die zuständigen lettischen Behörden bei der Bank C.________ (später Bank D.________) das auf die A.________ AG lautende Konto Nr. xxx (letzter bekannter Kontostand per 17. Mai 2014: USD 4'800.--) sowie das auf die E.________ SA lautende Konto Nr. yyy (letzter bekannter Kontostand per 17. Mai 2014: ca. USD 600'000.--) sperren.
A.b. Am 9. Oktober 2015 erhob die Bundesanwaltschaft (im Hauptsachverhalt) bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts Anklage gegen B.________. Dieses sprach B.________ mit Urteil SK.2015.44 vom 30. September 2016 und 30. März 2017 (Zivilpunkt) des gewerbsmässigen Betrugs schuldig und verurteilte ihn zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe. Es verurteilte B.________ ferner zu einer Ersatzforderung und entschied über die Einziehung der beschlagnahmten Vermögenswerte. Namentlich zog es die auf den Bankkonten der sich zwischenzeitlich in Liquidation befindlichen A.________ AG und der E.________ SA bei der Bank D.________ beschlagnahmten Vermögenswerte ein (Dispositiv-Ziff. II.2.1 lit. s). Den Entscheid über die Verwendung der eingezogenen Vermögenswerte bzw. deren Verwertungserlös sowie der Ersatzforderung zu Gunsten der Geschädigten nach Art. 73 StGB verwies es in ein separates Verfahren (Dispositiv-Ziff. IV.2).
A.c. Gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts vom 30. September 2016 und 30. März 2017 erhob u.a. die A.________ AG in Liquidation Beschwerde beim Bundesgericht hinsichtlich der Einziehung der Vermögenswerte auf ihrem eigenen Konto (USD 4'800.--) wie auch auf demjenigen der E.________ SA (ca. USD 600'000.--). Mit Urteil 6B_113/2018 vom 7. November 2018 hiess das Bundesgericht die Beschwerde teilweise gut, hob das angefochtene Urteil in dem die A.________ AG in Liquidation betreffenden Einziehungspunkt auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Strafkammer des Bundesstrafgerichts zurück. Betreffend die Einziehung der Vermögenswerte auf dem Konto der E.________ SA trat das Bundesgericht auf die Beschwerde jedoch nicht ein.
B.
Mit Urteil SK.2018.58 vom 2. Dezember 2019 hob die Strafkammer des Bundesstrafgerichts die Beschlagnahme des vorgenannten Kontos der A.________ AG in Liquidation bei der Bank D.________ auf. Im Übrigen trat sie auf den Antrag der A.________ AG in Liquidation auf Zusprechung der eingezogenen Vermögenswerte auf dem Konto der E.________ SA bei derselben Bank nicht ein. Die dagegen von der A.________ AG in Liquidation erhobene Berufung wies die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts mit Urteil vom 16. Dezember 2020 ab.
C.
Die A.________ AG in Liquidation führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das Urteil der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts vom 16. Dezember 2020 sei aufzuheben und es seien die beschlagnahmten und mit Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts vom 30. September 2016 und 30. März 2017 eingezogenen Vermögenswerte auf dem Konto der E.________ SA bei der Bank D.________ ihr zuzusprechen, eventualiter sei das Urteil der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts aufzuheben, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen und diese im Sinne der Erwägungen anzuweisen, die beschlagnahmten und mit Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts vom 30. September 2016 und 30. März 2017 eingezogenen Vermögenswerte auf dem Konto der E.________ SA bei der Bank D.________ ihr zuzusprechen.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts über die Zusprechung eingezogener Vermögenswerte zu Gunsten der Geschädigten nach Art. 73 StGB. Gegen einen solchen Entscheid ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig (vgl. Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 1 BGG; Urteile 6B_1065/2017 vom 17. Mai 2019 E. 1.1; 6B_474/2018 vom 17. Dezember 2018 E. 1.1; 6B_659/2012 vom 8. April 2013 E. 1 mit Hinweisen).
 
Erwägung 1.2
 
1.2.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat (lit. b). Das Interesse muss ein aktuelles und praktisches sein (BGE 144 IV 81 E. 2.3.1; 140 IV 74 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Zur Erhebung der Beschwerde legitimiert sind namentlich etwa die beschuldigte Person (Ziff. 1), ihre gesetzliche Vertretung (Ziff. 2), die Staatsanwaltschaft (Ziff. 3) und die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung der Zivilansprüche auswirken kann (Ziff. 5). In Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG nicht explizit aufgeführte Personen sind zur Beschwerde befugt, sofern sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids haben (BGE 136 IV 29 E. 1.9; 133 IV 228 E. 2.3, 121 E. 1.1; je mit Hinweisen). Gemäss Rechtsprechung ist der Geschädigte im Sinne von Art. 73 StGB legitimiert, beim Bundesgericht Beschwerde zu erheben und eine Verletzung dieser Bestimmung geltend zu machen (vgl. BGE 136 IV 29 E. 1.9; Urteile 6B_1065/2017 vom 17. Mai 2019 E. 1.2; 6B_474/2018 vom 17. Dezember 2018 E. 1.2; 6B_659/2012 vom 8. April 2013 E. 1; je mit Hinweisen).
1.2.2. Die Beschwerdeführerin fällt nicht unter die in Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG ausdrücklich genannten Beschwerdeberechtigten. Anlass zur Beschwerde gibt ihr Antrag auf Zusprechung der eingezogenen Vermögenswerte auf dem Konto der E.________ SA bei der Bank D.________ an sie selbst gestützt auf Art. 73 Abs. 1 lit. b StGB. Auf diesen Antrag, den die Beschwerdeführerin im Rahmen des erstinstanzlichen Rückweisungsverfahrens betreffend die Einziehung der auf ihrem Konto beschlagnahmten Vermögenswerte bei derselben Bank gestellt hat, ist die Erstinstanz nicht eingetreten. Die dagegen gerichtete Berufung wurde von der Vorinstanz abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin macht im bundesgerichtlichen Verfahren eine Verletzung ihrer (Verfahrens-) Rechte im Zusammenhang mit Art. 73 StGB geltend; insofern hat sie ein rechtlich geschütztes Interesse, sodass sie zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt ist (vgl. auch Urteil 6B_53/2009 vom 24. August 2009 E. 1.2 mit Hinweisen). Soweit sie sich im Rückweisungsverfahren erneut zur Frage der Einziehung bzw. deliktischen Herkunft derselben Vermögenswerte auf dem Konto der E.________ SA äussert, ist darauf nicht einzutreten.
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das Nichteintreten auf ihren Antrag bezüglich des auf die E.________ SA lautenden Kontos verletzte den Grundsatz der materiellen Wahrheit. Die Verletzung dieses unumstrittenen Rechtsgrundsatzes sei willkürlich und führe zu einer Verletzung von Art. 73 StGB. Der Wahrheitsgrundsatz gelte auch in einem Rückweisungsverfahren. Wie sie (die Beschwerdeführerin) in ihrer Berufungsbegründung detailliert dargelegt habe, erfülle sie sämtliche materiellen Voraussetzungen für eine Herausgabe der fraglichen Vermögenswerte nach Art. 73 StGB. Wenn die Vorinstanz erwäge, ausserhalb des Gegenstands des Rückwirkungsverfahrens entfalte sich die Bindungswirkung des bundesgerichtlichen Urteils, weshalb auf die Frage, die nicht (mehr) zum Prozessstoff gehöre, nicht zurückgekommen werden dürfe, sofern keine Noven geltend gemacht würden, führe dies dazu, dass die Erstinstanz nie mehr über die Verwendung des eingezogenen Kontos entscheiden dürfte. Die Vorinstanzen müssten indes gar nicht auf einen ausserhalb des Rückweisungsentscheids liegenden Sachverhalt zurückkommen, da die Erstinstanz ja noch nicht darüber entschieden habe. Die Erstinstanz hätte ihr (der Beschwerdeführerin) also "völlig unabhängig vom Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts" das fragliche Konto im vorliegenden Verfahren herausgeben können, zumal sie für den Entscheid über die eingezogenen Vermögenswerte zuständig sei und in ihrem Urteil SK.2015.44 angekündigt habe, dass sie in einem separaten Entscheid über alle in der "Affäre B.________" eingezogenen Vermögenswerte befinden werde. Angesichts des Vorliegens aller Voraussetzungen (gemäss Art. 73 StGB) könne längst separat über das verfahrensgegenständliche Konto entschieden werden. Schliesslich liege eine Rechtsverweigerung vor, nachdem die Beschwerdeführerin vor bald fünf Jahren die Herausgabe beantragt habe und ein Entscheid über das eingezogene Konto immer noch ausstehe (Beschwerde S. 11 ff.).
2.2. Die Vorinstanz erwog, die Frage der Einziehung des sich auf dem Konto der E.________ SA bei der Bank D.________ befindlichen Vermögenswerte würde nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Rückweisungsverfahrens bilden. Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus geltend mache, dass das Prozessrecht aufgrund der fehlenden Beschwerdelegitimation der Verwirklichung des materiellen Rechts vorliegend im Wege stehe, habe bereits das Bundesgericht offensichtlich keinen Anlass dazu gesehen, von seiner Rechtsprechung betreffend die fehlende Beschwerdelegitimation eines an einem Bankkonto bloss wirtschaftlich Berechtigten (nicht Kontoinhaber) abzurücken. Im Lichte dessen erübrige sich die Prüfung der materiellen Vorbringen zu Art. 73 StGB (angefochtener Entscheid S. 10 f.).
 
Erwägung 2.3
 
2.3.1. Im Falle eines bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids hat die mit der neuen Entscheidung befasste untere Instanz ihrem Urteil die rechtliche Beurteilung, mit der die Rückweisung begründet wird, zugrunde zu legen. Jene bindet auch das Bundesgericht, falls ihm die Sache erneut unterbreitet wird. Aufgrund dieser Bindungswirkung ist es den erneut mit der Sache befassten Gerichten wie auch den Parteien - abgesehen von allenfalls zulässigen Noven - verwehrt, der Überprüfung einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zugrunde zu legen oder die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind. Die neue Entscheidung der unteren Instanz ist demnach auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen (BGE 143 IV 214 E. 5.2.1; 135 III 334 E. 2; Urteile 6B_300/2021 vom 14. Juli 2021 E. 1; 6B_318/2020 vom 13. April 2021 E. 1.2; je mit Hinweisen).
2.3.2. Das Bundesgericht erwog im Rückweisungsentscheid, mangels klaren Nachweises des Vermögensschadens sei nicht mit Gewissheit erkennbar, ob die beschlagnahmten Vermögenswerte auf dem Konto der Beschwerdeführerin bei der Bank D.________ deliktischen Ursprungs seien. Damit könne auch nicht geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Einziehung dieser Vermögenswerte erfüllt seien. Das angefochtene Urteil sei daher in diesem Punkt mangels zureichender Begründung aufzuheben und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz werde zu begründen haben, inwiefern die fraglichen Vermögenswerte in einem Masse gefährdet worden seien, dass dies einen Vermögensschaden (Gefährdungsschaden) begründe. Was im Übrigen die Einziehung der beschlagnahmten Vermögenswerte auf dem Konto der E.________ SA bei derselben Bank betraf, trat das Bundesgericht mangels Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin auf die Beschwerde nicht ein (zum Ganzen: Urteil 6B_113/2018 vom 7. November 2018 E. 1.2 und 4.3).
2.3.3. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass allein die Frage der Einziehung der beschlagnahmten Vermögenswerte auf ihrem eigenen Konto bei der Bank D.________ Gegenstand der
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Berufungskammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 18. Mai 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler