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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 6B_299/2022 vom 23.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
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6B_299/2022
 
 
Urteil vom 23. Mai 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Rüedi,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiber Matt.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Krumm,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Rechtsdienst der Amtsleitung,
 
Hohlstrasse 552, 8090 Zürich,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Strafantritt,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, vom 26. Januar 2022 (VB.2021.00662).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich bestrafte A.________ mit Strafbefehl vom 2. Februar 2017 wegen mehrfacher Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) und Fälschung von Ausweisen (Art. 252 StGB) mit einer Freiheitsstrafe von 180 Tagen (abzüglich 88 Tage erstandener Haft) als Zusatzstrafe zur unbedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 150.--, die das Kantonsgericht Wallis am 22. März 2016 wegen Betrugs verhängt hatte.
 
B.
 
Das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (neu: Justizvollzug und Wiedereingliederung; nachfolgend: JuWe) setzte A.________ am 29. Dezember 2017 Frist bis zum 29. Januar 2018, um einen Antrag auf Strafverbüssung in Halbgefangenschaft zu stellen, ansonsten die Strafe per 29. Mai 2018 im Normalregime vollzogen werde.
Die dagegen gerichteten Rechtsmittel blieben alle erfolglos, so auch eine Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht (Urteil 6B_19/2019 vom 19. Juni 2019).
 
C.
 
Mit Vollzugsbefehl vom 11. September 2019 setzte das JuWe den Strafantritt im Normalregime neu auf den 7. Januar 2020 fest. Wiederum schöpfte A.________ erfolglos den ganzen Instanzenzug bis vor Bundesgericht aus (Urteil 6B_107/2020 vom 13. Februar 2020).
 
D.
 
Mit Verfügung vom 14. April 2021 lud das JuWe A.________ abermals zum Strafantritt im Normalvollzug vor, diesmal per 15. Juni 2021.
Auf den dagegen von A.________ erhobenen Rekurs trat die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich (nachfolgend: Justizdirektion) mit Verfügung vom 15. Juni 2021 wegen Verspätung nicht ein.
Die dagegen gerichtete Beschwerde von A.________ hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 26. Juli 2021 gut, soweit es darauf eintrat. Es hob die Verfügung vom 15. Juni 2021 auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Justizdirektion zurück.
Mit Verfügung vom 16. September 2021 wies die Justizdirektion den Rekurs von A.________ ab.
Die dagegen gerichtete Beschwerde von A.________ wies das Verwaltungsgericht am 26. Januar 2022 ab, soweit es darauf eintrat.
 
E.
 
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2022 (recte: 26. Januar 2022) sei aufzuheben und der Strafantritt sei abzunehmen.
 
1.
Der Beschwerdeführer beantragt, sein damaliger Verteidiger im Strafbefehlsverfahren sei als Zeuge anzuhören. Dabei übersieht er, dass das Bundesgericht keine Beweise abnimmt und keine Beweiserhebungen anordnet (BGE 133 IV 293 E. 3.4.2).
 
Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer gelangt in dieser Sache bereits zum dritten Mal an das Bundesgericht. Diesmal macht er geltend, dem Strafbefehl vom 2. Februar 2017 komme wegen mangelhafter Eröffnung keine Rechtskraft zu. In den früheren Urteilen werde zur Einsprache gegen den Strafbefehl festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer das Verhalten seines damaligen Verteidigers anrechnen lassen müsse. Allerdings sei unberücksichtigt geblieben, dass der Verteidiger mindestens teilweise dement gewesen sei. Zudem sei der Sachverhalt im Strafbefehl dermassen falsch dargestellt, dass dieser nichtig sei. Aus der inzwischen vorgelegten Erklärung von B.________ ergebe sich, dass der Beschwerdeführer über die Werthaltigkeit bzw. Ordnungsmässigkeit der Schecks getäuscht worden sei und dementsprechend nicht bösgläubig gehandelt habe, womit eine Strafbarkeit ausser Betracht falle. Zudem sei im Strafbefehlsverfahren sein rechtliches Gehör verletzt worden.
 
Erwägung 2.2
 
2.2.1. Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten ausgefällten Urteile. Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und anderen zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt (Art. 372 Abs. 1 und 2 StGB). Einwände gegen das Strafbefehlsverfahren und die Rechtskraft des Strafbefehls werden im verwaltungsrechtlichen Verfahren nicht gehört (Urteil 6B_19/2019 vom 19. Juni 2019 E. 1.2).
2.2.2. Fehlerhafte amtliche Verfahrenshandlungen sind in der Regel nicht nichtig, sondern anfechtbar (BGE 144 IV 362 E. 1.4.3; 137 I 273 E. 3.1; je mit Hinweisen). Fehlerhafte Entscheide sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nichtig, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer ist, wenn er sich als offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar erweist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel einer Entscheidung führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit. Als Nichtigkeitsgründe fallen vorab funktionelle und sachliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht, so beispielsweise der Umstand, dass die betroffene Person keine Gelegenheit hatte, am Verfahren teilzunehmen. Die Nichtigkeit eines Entscheids ist jederzeit und von sämtlichen rechtsanwendenden Behörden von Amtes wegen zu beachten (BGE 144 IV 362 E. 1.4.3; 138 II 501 E. 3.1; 137 I 273 E. 3.1; je mit Hinweisen).
2.3. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Strafbefehl nicht in Rechtskraft erwuchs. Es wurde bereits rechtskräftig entschieden, dass der Strafbefehl dem Verteidiger des Beschwerdeführers am 14. Februar 2017 zugestellt wurde, womit die Einsprachefrist am 24. Februar 2017 endete. Der Verteidiger versandte ihn am 20. Februar 2017 an den Beschwerdeführer, der ihn am 27. Februar 2017 in Empfang nahm. Dieser erhob mit Schreiben vom 28. Februar 2017 Einsprache bei der Staatsanwaltschaft und bat um Wiederherstellung der Einsprachefrist mit dem Hinweis, erst am 27. Februar 2017 davon Kenntnis erhalten zu haben. Das undatierte Schreiben des Verteidigers, das am 28. Februar 2017 bei der Staatsanwaltschaft einging und in dem dieser erklärte, der Beschwerdeführer sei mit dem Strafbefehl nicht einverstanden, kann nicht vor dem 27. Februar 2017 verfasst worden sein. Somit erfolgte innert Frist keine gültige Einsprache (vgl. Urteil 6B_19/2019 vom 19. Juni 2019 E. 1.2 f.).
 
Erwägung 2.4
 
2.4.1. Die Vorinstanz gibt den Inhalt des Strafbefehls wieder und erwägt, was der Beschwerdeführer dagegen vorbringe, begründe keine Nichtigkeit. Der Inhalt des Strafbefehls sei weder sinnlos, sittenwidrig noch willkürlich. Selbst wenn die Erklärung von B.________ den Strafbefehl infrage zu stellen vermöchte, liesse sich dadurch höchstens eine Fehlerhaftigkeit aber keine Nichtigkeit ableiten. Jedenfalls sei ein Revisionsbegehren des Beschwerdeführers gegen den Strafbefehl rechtskräftig abgewiesen worden (Urteil 6B 108/2020 vom 13. Februar 2020).
2.4.2. Die Vorinstanz setzt sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander, im Strafverfahren sei sein rechtliches Gehör verletzt worden. Sie hält fest, solche Gehörsrügen führten in der Regel höchstes zur Anfechtbarkeit. Damit Nichtigkeit angenommen werden könnte, müsste es sich um einen schwerwiegenden Verstoss gegen grundlegende Parteirechte handeln. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Kritik des Beschwerdeführers am konkreten Strafbefehlsverfahren sei bloss allgemeiner Natur und damit unsubstanziiert.
2.4.3. Sodann erwägt die Vorinstanz, die mangelhafte Eröffnung einer Verfügung bewirke nicht automatisch ihre Nichtigkeit, sondern in der Regel bloss ihre Anfechtbarkeit. Nichtigkeit sei grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn die betroffene Person von einer Entscheidung gar keine Kenntnis erhalte. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass ihm der Strafbefehl zur Kenntnis gebracht worden sei, dies ergebe sich bereits aus seinem Fristwiederherstellungsgesuch vom 28. Februar 2017. Damit liesse sich auch aus einer allfälligen mangelhaften Zustellung an den damaligen Verteidiger des Beschwerdeführers keine Nichtigkeit ableiten, sondern bloss eine Anfechtbarkeit.
2.4.4. Die Vorinstanz setzt sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinander, wonach der Strafbefehl nicht in Rechtskraft erwachsen sei, weil die bisher mit der Sache befassten Instanzen zu Unrecht davon ausgegangen seien, er müsse sich das Verhalten seines damaligen Verteidigers anrechnen lassen, und deshalb angenommen hätten, dass keine rechtzeitige Einsprache erfolgt sei. Sie hätten dabei ausser Acht gelassen, dass der damalige Verteidiger offensichtlich zumindest "partiell dement" gewesen sei und seine "Geschäftsfähigkeit" verloren habe.
Die Vorinstanz hält fest, bereits mit Urteil vom 14. November 2018 habe sich das Verwaltungsgericht mit der Vollstreckbarkeit der im Strafbefehl vom 2. Februar 2017 ausgesprochenen Freiheitsstrafe auseinandergesetzt. Dieses Verfahren habe auch die Frage der Zustellung des Strafbefehls an den Beschwerdeführer betroffen. Bereits damals habe der Beschwerdeführer eine Demenz des Verteidigers behauptet. Dieser Entscheid sei vom Bundesgericht bestätigt worden (Urteil 6B_19/2019 vom 19. Juni 2019). Im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2019 sei die Vollstreckbarkeit der mit Strafbefehl vom 2. Februar 2017 angeordneten Freiheitsstrafe erneut Thema gewesen. Auf eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde sei das Bundesgericht nicht eingetreten (Urteil 6B_107/2020 vom 13. Februar 2020).
Es sei bereits rechtskräftig darüber entschieden worden, dass die Freiheitsstrafe zu vollstrecken sei und der Beschwerdeführer seine Strafe anzutreten habe. Der Grundsatz des Strafantritts könne im vorliegenden Verfahren nicht mehr neu angefochten werden. Vorliegend sei nur noch zu prüfen, ob seit den erwähnten Urteilen Umstände eingetreten seien, die einem Strafantritt entgegenstehen oder ob das Datum des Strafantritts rechtswidrig festgesetzt worden sei. Deshalb sei auf die angebliche Demenz des ehemaligen Verteidigers nicht mehr einzugehen. Insoweit liege eine abgeurteilte Sache vor und es sei nicht erneut darüber zu befinden.
2.5. Was der Beschwerdeführer dagegen vorträgt, verfängt nicht.
2.5.1. Die Beschwerde ist zu begründen, wobei anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern dieser Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten einschliesslich des Sachverhalts wegen Willkür bestehen qualifizierte Rügeanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1; 134 I 65 E. 1.3). Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit freier Kognition überprüft. Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, deren Beweiswürdigung erweise sich als willkürlich (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 143 I 310 E. 2.2; je mit Hinweisen). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 IV 369 E. 6.3; je mit Hinweisen). Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 mit Hinweisen).
2.5.2. Diesen Begründungsanforderungen genügt der Beschwerdeführer nicht im Ansatz. Wenn überhaupt, dann setzt er sich mit den Erwägungen der Vorinstanz nicht hinreichend auseinander. Darauf ist nicht einzutreten.
Genau gesehen macht der Beschwerdeführer eigentlich nur rechtsgenüglich geltend, sein damaliger Verteidiger sei anzuhören. So solle nachgewiesen werden, dass er im Strafbefehlsverfahren keine anwaltliche Legitimation zur Vertretung des Beschwerdeführers gehabt habe und nicht berechtigt gewesen sei, den Strafbefehl vom 2. Februar 2017 im Namen des Beschwerdeführers rechtsauslösend anzunehmen.
Dieses Vorbringen ist offensichtlich unbegründet. Die Vorinstanz legt überzeugend dar, weshalb eine Befragung des damaligen Verteidigers nicht angezeigt ist.
 
Erwägung 3
 
Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Mai 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Der Gerichtsschreiber: Matt