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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 6B_317/2022 vom 23.05.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
6B_317/2022
 
 
Urteil vom 23. Mai 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Koch
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,
 
Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8036 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme, Nichtleisten der Prozesskaution, Zustelldomizil, öffentliche Bekanntmachung
 
(Art. 88 StPO),
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 6. Oktober 2021 (UE210193-O/U/MUL).
 
 
1.
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl nahm am 21. Juni 2021 eine vom Beschwerdeführer angestrengte Strafuntersuchung wegen Amtsmissbrauchs und weiterer Delikte gegen die Interessengemeinschaft B.________ und gegen das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI (bzw. gegen verantwortliche Personen dieser beiden Institutionen) nicht an die Hand. Nach Eingang der dagegen erhobenen Beschwerde forderte die Vorinstanz den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 16. Juli 2021 auf, innert 30 Tagen, von der Mitteilung der Verfügung an gerechnet, eine Prozesskaution von einstweilen Fr. 1'800.-- zu leisten, unter der Androhung, dass sonst auf das Rechtsmittel nicht eingetreten werde. Weil die Prozesskaution innert Frist nicht geleistet wurde, trat die Vorinstanz mit Beschluss vom 6. Oktober 2021 androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht ein. Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht.
2.
Verfahrens- und Beschwerdegegenstand ist ausschliesslich der Beschluss vom 6. Oktober 2021 (Art. 80 Abs. 1 BGG). Soweit der Beschwerdeführer namentlich im Zusammenhang mit der Instruktion des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens ein strafrechtlich relevantes Verhalten in der Verfahrensführung erblickt und die Bestrafung der hierfür verantwortlichen Personen verlangt, ist er mit seinen diesbezüglichen Anträgen und Vorbringen nicht zu hören. Das Bundesgericht ist für die Entgegennahme und Behandlung von Strafanzeigen nicht zuständig.
3.
Die Vorinstanz, welche auf die Beschwerde des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist, hat sich mit der materiellen Seite der Angelegenheit nicht befasst. Folglich kann dies auch das Bundesgericht nicht tun (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG). Die Ausführungen in der Sache sind mithin von vornherein unzulässig.
4.
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und der Anfechtung des Sachverhalts gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Das Bundesgericht prüft solche Rügen nur, wenn sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden sind (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 145 I 26 E. 1.3 mit Hinweisen).
Kann eine Zustellung nicht erfolgen, weil der Aufenthaltsort des Adressaten bzw. der Adressatin nicht zu ermitteln, eine Zustellung unmöglich ist bzw. mit aussergewöhnlichen Umtrieben verbunden wäre, oder eine Person entgegen Art. 87 Abs. 2 StPO in der Schweiz kein Zustelldomizil bezeichnete, kann anstatt der Zustellung nach Art. 85 f. StPO eine Veröffentlichung in dem durch den Bund oder den Kanton bezeichneten Amtsblatt erfolgen (Art. 88 Abs. 1 StPO). Bevor allerdings zur "ultima ratio" einer Veröffentlichung im Amtsblatt gegriffen werden darf, muss die Behörde in jedem Fall geeignete Schritte in die Wege geleitet haben, um den Aufenthaltsort des Adressaten bzw. der Adressatin ausfindig zu machen (vgl. BGE 147 IV 518 E. 3.1; Urteil 6B_931/2018 vom 9. April 2019 E. 1.3). Als zumutbare Nachforschungen im Sinne von Art. 88 Abs. 1 lit. a StPO gelten etwa Erkundigungen bei der letzten bekannten Adresse, der zuletzt zuständigen Poststelle, bei Einwohnerregistern, Nachbarn, den nächsten Angehörigen oder allenfalls beim aktuellen Arbeitgeber. Auch Internetrecherchen sind zulässig. Bei allen Nachforschungen ist das Amtsgeheimnis zu wahren und die Datenschutzgesetzgebung zu beachten (vgl. Urteil 6B_876/2013 vom 6. März 2014 E. 2.3.2 mit Hinweis; s.a. BRÜSCHWEILER /NADIG/SCHNEEBELI, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber/Summers/Wohler [Hrsg.], 3. Aufl. 2020, N. 3 zu Art. 88 StPO).
5.
Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe in seiner Beschwerdeeingabe vom 2. Juli 2021 lediglich eine E-Mail-Adresse, eine Telefonnummer, seinen Geburtsort und den Umstand angegeben, ohne festen Wohnsitz zu sein. Die getätigten Adressnachforschungen seien ohne Erfolg geblieben. Am 14. Juli 2021 habe sich der Beschwerdeführer mit gewöhnlicher E-Mail nach dem Stand des Verfahrens erkundigt. Sie (die Verfahrensleitung) habe ihn mit E-Mail vom 15. Juli 2021 aufgefordert, auf schriftlichem Weg ein Zustelldomizil bekanntzugeben; andernfalls habe er damit zu rechnen, dass Zustellungen durch Veröffentlichung im kantonalen Amtsblatt vorgenommen würden. Zugleich sei er darauf hingewiesen worden, dass E-Mail-Eingaben mit einer elektronischen Signatur versehen sein müssten. Künftige Eingaben via gewöhnlicher E-Mail würden daher abgelegt. Daraufhin habe der Beschwerdeführer erneut mit gewöhnlicher E-Mail um "verschlüsselte" elektronische Zustellungen gebeten. Die Prozesskautionsverfügung vom 16. Juli 2021 sei am 23. Juli 2021 im Amtsblatt publiziert worden, da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers trotz zumutbarer Nachforschungen nicht habe ermittelt werden können. Am 12. August 2021 habe der Beschwerdeführer wiederholt, er sei darauf angewiesen, elektronisch kontaktiert zu werden. Da in der E-Mail-Eingabe kein Zustelldomizil genannt worden sei, sei sie zu den Akten gelegt worden. Die Kautionsverfügung gelte am Tage ihrer Veröffentlichung am 23. Juli 2021 als zugestellt. Die Frist zur Leistung der Kaution habe folglich am 24. Juli 2021 zu laufen begonnen und am 23. August 2021 geendet. Innert dieser Frist sei die Kaution nicht eingegangen, weshalb auf die Beschwerde androhungsgemäss nicht einzutreten sei.
 
Erwägung 6
 
6.1. Was an diesen Erwägungen der Vorinstanz gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen könnte, legt der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht dar. Anstatt sich mit dem angefochtenen Beschluss substanziiert auseinanderzusetzen, beschränkt er sich im Wesentlichen darauf, der Vorinstanz bzw. der für die Instruktion zuständigen Verfahrensleitung, namentlich im Zusammenhang mit der Publikation der Prozesskautionsverfügung im Amtsblatt, vorzuwerfen, seine persönliche Situation (fehlendes Obdach) trotz deren Kenntnis nicht berücksichtigt, rechtswidrig Nachforschungen über ihn angestellt, sich Informationen über ihn verschafft und Dritte damit bedient, Forderungen gestellt und diese mit Drohungen verknüpft und damit seine Grund- und Verfahrensrechte verletzt zu haben. Aus seinen Ausführungen ergibt sich indessen nicht und es ist auch nicht ersichtlich, weshalb das beanstandete Vorgehen der Vorinstanz respektive der Verfahrensleitung nicht im Einklang mit der Rechtsordnung, insbesondere mit Art. 88 Abs. 1 StPO, stehen sollte bzw. inwiefern es gegen seine Grund- und Verfahrensrechte verstossen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass die getätigten Nachforschungen, wie der Beschwerdeführer vor Bundesgericht insinuiert, über rein zweckdienliche Erkundigungen zu seinem Aufenthaltsort hinausgegangen und damit rechtswidrig und unverhältnismässig wären, sind weder rechtsgenüglich dargetan noch ersichtlich. Schlicht aktenwidrig ist die Behauptung, die Nachforschungen hätten zu einer "rechtlich korrekten Zustellmöglichkeit" geführt, die in Verletzung der Verfahrensgarantien absichtlich unberücksichtigt geblieben sei. Die im Stile eines Rundumschlags gehaltenen Ausführungen in der Beschwerde erschöpfen sich zur Hauptsache in haltlosen Unterstellungen und pauschalen Vorwürfen, ohne dass konkrete Rechtsverletzungen dargetan würden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).
6.2. Dem Beschwerdeführer wurde die Rechtslage durch die Vorinstanz bzw. die Verfahrensleitung im Übrigen erläutert; er wurde darauf hingewiesen, ein Zustelldomizil bezeichnen zu müssen, ansonsten eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen könne. Auch wurde ihm mitgeteilt, dass Eingaben mit einfacher elektronischer Post, d.h. ohne anerkannte zertifizierte Signatur, im Strafverfahren grundsätzlich ungültig seien und weitere einfache elektronische Post abgelegt werde. Inwiefern ihm ein Nachteil entstanden sein soll, weil die Hinweise (mangels Zustelladresse) ausnahmsweise mit gewöhnlicher E-Mail erfolgten, ist weder dargetan noch ersichtlich. Der Beschwerdeführer verkennt bei seiner Kritik zudem, dass kein Anspruch darauf besteht, sich Mitteilungen/Verfügungen selbst auf qualifiziert elektronischem Weg zustellen zu lassen. Die Behörden sind nach Gesetz und Rechtsprechung einzig befugt, sich mit dem Einverständnis der betroffenen Person für eine qualifizierte digitale Mitteilung zu entscheiden (vgl. BGE 147 IV 510 E. 2 im Zusammenhang mit Art. 86 StPO). Dass die Staatsanwaltschaft bei der Zustellung der Nichtanhandnahmeverfügung vom 21. Juni 2021 von dieser Befugnis Gebrauch machte, schafft entgegen der vermeintlichen Auffassung des Beschwerdeführers keine Vertrauensgrundlage dafür, dass auch die Vorinstanz oder andere Behörden von dieser Befugnis Gebrauch machen müssten. Mangels Vertrauensgrundlage und Vertrauensbetätigung kann sich der Beschwerdeführer daher nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen (Art. 5 i.V.m. Art. 9 BV). Ebenso wenig ist hinreichend dargetan oder ersichtlich, dass und inwiefern ihm das Recht auf Beschwerde verweigert, das Verfahren verschleppt und/oder weitere Grund- und Verfahrensrechte verletzt worden sein sollen.
6.3. Der Beschwerdeführer erhebt schliesslich sinngemäss einen Befangenheitsvorwurf namentlich gegenüber der für die Verfahrensleitung verantwortlich zeichnenden Person. Inwiefern dieser Vorwurf zutreffen könnte, lässt sich der Beschwerde allerdings nicht entnehmen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der blosse Umstand, dass der Beschwerdeführer mit der Verfahrensführung bzw. der Instruktion und mit dem angefochtenen Beschluss nicht einverstanden ist, reicht jedenfalls nicht aus, um auf Befangenheit zu schliessen. Mit blossen Behauptungen lassen sich Verfassungsverletzungen nicht begründen.
7.
Ohne dass sich das Bundesgericht zu sämtlichen, teilweise nur schwer verständlichen Vorbringen und Ausführungen des Beschwerdeführers ausdrücklich äussern müsste, ist die Beschwerde im Verfahren nach Art. 109 BGG als unbegründet abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdeführer sind reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Mai 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill