Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 8C_52/2022 vom 02.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
8C_52/2022
 
 
Urteil vom 2. Juni 2022
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,
 
Gerichtsschreiberin Polla.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch die Stadt Zürich,
 
Soziale Dienste/ Rechtsdienst,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. November 2021 (IV.2021.00383).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Der 1993 geborene A.________, gelernter Recyclist, meldete sich am 10. Juli 2018 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 17. August 2018 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich einen Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen und mit Verfügung vom 12. September 2019 sprach sie ihm Leistungen der Invalidenversicherung generell ab. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen geführte Beschwerde in dem Sinne gut, als es die Verfügung vom 12. September 2019 aufhob und die Sache zur ergänzenden Abklärung an die IV-Stelle zurückwies.
Die IV-Stelle holte daraufhin bei Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ein Gutachten vom 29. September 2020 ein. Am 12. Dezember 2020 beantwortete er Rückfragen dazu. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle erneut einen Leistungsanspruch des A.________ (Verfügung vom 6. Mai 2021).
B.
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 11. November 2021 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es sei ihm unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils eine ganze Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen. Ferner ersucht er um unentgeltliche Prozessführung.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 147 I 73 E. 2.2).
 
2.
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie in Bestätigung der Verfügung vom 6. Mai 2021 der IV-Stelle einen Anspruch auf eine Invalidenrente verneinte.
2.2. Im angefochtenen Urteil werden die rechtlichen Grundlagen für den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 7 f. ATSG und Art. 28 IVG), sowie zur Bedeutung und Beweiskraft medizinischer Unterlagen (BGE 125 V 256 E. 4; 125 V 351 E. 3a) zutreffend dargelegt. Richtig ist auch der vorinstanzliche Hinweis, wonach die Einschränkungen infolge psychischer Erkrankungen grundsätzlich anhand systematisierter Indikatoren zu beurteilen sind (BGE 141 V 281; 143 V 418). Darauf wird verwiesen.
Die vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person sowie bei der konkreten Beweiswürdigung betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2) und sind für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich. Soweit die Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird, geht es um eine frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2; Urteil 8C_712/2019 vom 12. Februar 2020 E. 1.3). Rechtsfrage ist auch, nach welchen Gesichtspunkten die Entscheidung über die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit erfolgt (BGE 140 V 267 E. 2.4 mit Hinweisen; SVR 2021 IV Nr. 26 S. 80, 8C_416/2020 E. 1.2 mit Hinweis).
 
2.3.
 
2.3.1. Gemäss Art. 16 ATSG wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen). Der ausgeglichene Arbeitsmarkt ist ein theoretischer und abstrakter Begriff. Er berücksichtigt die konkrete Arbeitsmarktlage nicht, umfasst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch tatsächlich nicht vorhandene Stellenangebote und sieht von den fehlenden oder verringerten Chancen gesundheitlich Beeinträchtigter ab, tatsächlich eine zumutbare und geeignete Arbeitsstelle zu finden. Er umschliesst einerseits ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen dem Angebot von und der Nachfrage nach Stellen; anderseits bezeichnet er einen Arbeitsmarkt, der von seiner Struktur her einen Fächer verschiedenartiger Stellen offen hält (BGE 134 V 64 E. 4.2.1 mit Hinweis; 110 V 273 E. 4b; vgl. Urteil 8C_131/2019 vom 26. Juni 2019 E. 4.2.2). Der ausgeglichene Arbeitsmarkt umfasst auch sogenannte Nischenarbeitsplätze, also Stellen- und Arbeitsangebote, bei welchen Behinderte mit einem sozialen Entgegenkommen seitens des Arbeitgebers rechnen können. Von einer Arbeitsgelegenheit kann aber dort nicht gesprochen werden, wo die zumutbare Tätigkeit nur in so eingeschränkter Form möglich ist, dass sie der ausgeglichene Arbeitsmarkt praktisch nicht kennt oder sie nur unter nicht realistischem Entgegenkommen eines durchschnittlichen Arbeitgebers möglich und das Finden einer entsprechenden Stelle daher zum vornherein als ausgeschlossen erscheint (SVR 2021 IV Nr. 26 S. 80, 8C_416/2020 E. 4; Urteil 8C_256/2021 vom 9. März 2022 E. 9.1, zur Publikation vorgesehen; vgl. CHRISTOPH FREY/NATHALIE LANG, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 72 zu Art. 16 ATSG).
2.3.2. Die Möglichkeit einer versicherten Person, das verbliebene Leistungsvermögen auf dem allgemeinen ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Massgebend sind rechtsprechungsgemäss die Art und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens und seiner Folgen, der absehbare Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand und in diesem Zusammenhang auch die Persönlichkeitsstruktur, vorhandene Begabungen und Fertigkeiten, Ausbildung, beruflicher Werdegang oder die Anwendbarkeit von Berufserfahrung aus dem angestammten Bereich (Urteil 8C_170/2021 vom 23. September 2021 E. 5.1.1 mit Hinweisen).
 
3.
 
3.1. Wie die Vorinstanz feststellte, diagnostizierte Dr. med. B.________ im Gutachten vom 29. September 2020 eine ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung mit unreifen und haltlosen Zügen, bei komplexer Traumatisierung. Er qualifizierte die Störung bezüglich der Beeinträchtigung im Alltag und in Beziehungen (ohne Abgrenzung von Krankheitsgewinn und seiner Auswirkungen) als schwere psychische Gesundheitsstörung. Nach seiner absolvierten Berufslehre als Recyclist habe der Beschwerdeführer als Pizza-Ausfahrer, hausierender Messerschleifer und selbstständiger Schrottverkäufer bzw. -händler gearbeitet. In der angestammten Tätigkeit als Recyclist sei er aufgrund seiner krankhaft übersteigerten Ängste, die ein Ausmass zeigten, bei welchem eine "ad hoc Überwindung" wahrscheinlich nicht möglich sei, vollständig arbeitsunfähig. Bei einer optimal angepassten Tätigkeit, d.h. Tätigkeiten, die der Beschwerdeführer alleine zuhause durchführen könne, sei er vollständig arbeitsfähig. Denkbar sei die Tätigkeit als Messerschleifer, wobei er vermutlich jemanden brauchen würde, der die Aufträge akquiriere und die Messer hole und bringe; allenfalls sei auch ein Ausbildungskurs zum Messerschleifer notwendig. Der Gutachter empfahl ein dreijähriges therapeutisches Vorgehen, bei dessen Ende überwiegend wahrscheinlich eine vollständige Arbeitsfähigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt erreicht werde. Die aktuelle Arbeitsunfähigkeit sei vor allem auf ein psychisches Leiden mit Krankheitswert zurückzuführen, einer wirksamen Behandlung stünden aber psychosoziale Belastungsfaktoren entgegen. Der Beschwerdeführer sei zu einer wirksamen Therapie nicht bereit. Dies sei teilweise krankheitsbedingt, teils dem Krankheitsgewinn und motivationalen Faktoren geschuldet. Eine exakte Abgrenzung sei hier methodisch nicht möglich. Die Zumutbarkeit überliess Dr. med. B.________ einer administrativ-juristischen Beurteilung, wie die Vorinstanz feststellte. Das Hauptproblem gemäss Gutachter sei, so die Vorinstanz weiter, dass der Beschwerdeführer erneute Erfahrungen von Überforderung und einem Insuffizienzerleben befürchte. Wenn man ihm mitteile, dass er ab sofort in einer leidensangepassten Tätigkeit in vollem Umfang arbeitsfähig sei, werde er dies krankheitsbedingt nicht umsetzen können (Beantwortung der Rückfragen vom 24. November 2020). In ihrer Stellungnahme vom 30. September 2020 hielt die RAD-Ärztin Dr. med. C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, fest, es sei theoretisch möglich, den Gesundheitszustand über eine intensivierte, spezifische Therapie der Persönlichkeitsstörung und durch parallele soziale Exposition zu verbessern. Der Beschwerdeführer zeige bisher jedoch keine Motivation für eine Veränderung, die man therapeutisch für exponierende Schritte nutzen könnte. Sie wiederholte die gutachterliche Ansicht, dass dies teilweise krankheitsbedingt, teilweise dem Krankheitsgewinn sowie motivationalen Faktoren geschuldet sei. Der Krankheitsgewinn zeige sich in einer Tendenz zur Aggravation, zu starker Verdeutlichung von Beschwerden mit gleichzeitiger Abwertung seiner Ressourcen.
 
3.2.
 
3.2.1. Die Vorinstanz stufte das psychiatrische Gutachten als grundsätzlich beweistauglich ein. Mit gewissen Einschränkungen folgte sie diesem auch hinsichtlich der dargestellten medizinischen Situation und der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit nach Prüfung der Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281 E. 4.1.3. So relativierte sie die Schwere der diagnoserelevanten Befunde durch die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer eine behinderungsangepasste Tätigkeit vollständig zumutbar seiwobei der Beschwerdeführer zur Umsetzung der Arbeitsfähigkeit entsprechende therapeutische Unterstützung benötige (Stellungnahme des Experten vom 12. Dezember 2020). Als leidensadaptiert erachtete die Vorinstanz gestützt auf die gutachterlichen Ausführungen die Tätigkeit als Messerschleifer oder Schrotthändler (ohne Akquise und Kundenkontakt und daher notwendigerweise mit einem Geschäftspartner). Für weitere Tätigkeiten lasse sich, unter der Voraussetzung einer entsprechenden psychiatrischen Behandlung, in absehbarer Zeit eine volle Arbeitsfähigkeit erreichen. Die hierzu notwendigen therapeutischen Schritte seien zumutbar.
3.2.2. Die Vorinstanz bejahte die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Mit der Annahme, es seien Arbeitsplätze vorhanden, bei denen der Beschwerdeführer weitgehend alleine tätig sein könne mit einem möglichen Einkommen, wie er es im Herbst/Winter 2017 erzielt habe, verneinte sie einen Rentenanspruch.
3.3. Der Beschwerdeführer rügt, es sei nicht klar, weshalb die Vorinstanz das Gutachten nur mit gewissen Einschränkungen als beweiswertig angesehen habe. Unzutreffend sei die vorinstanzliche Schlussfolgerung, dass keine krankheitsbedingten Einschränkungen vorliegen würden, die einer Therapieintensivierung entgegenstünden. Solche habe der Gutachter klar festgestellt. Weiter sei ihm bezüglich des Behandlungs- und Eingliederungserfolgs nie eine Schadenminderungspflicht auferlegt worden. Es sei zu prüfen, ob mit einer Intensivierung der Therapie die Arbeitsfähigkeit tatsächlich verbessert werden könnte. Auch wenn sich der Beschwerdeführer als nicht arbeitsfähig erachte, habe er sich nie geweigert, an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen. Es stünden weder psychosoziale Belastungsfaktoren im Vordergrund, noch aggraviere er. Die als leidensadaptiert angesehene Tätigkeit als Messerschleifer erfordere zwingend Kundenkontakt, der ihm nicht zumutbar sei. Bereits aufgrund der Lärmemission könne eine Messerschleiferei nicht zuhause ausgeführt werden. Weiter sei bisher die Frage, ob eine Tätigkeit mit dem skizzierten Belastungsprofil im ersten Arbeitsmarkt verwertbar sei, nicht beantwortet worden. Dies sei aber klar zu verneinen, weshalb ihm eine ganze Invalidenrente zustehe.
 
4.
 
4.1. Die Vorinstanz mass dem Gutachten des Dr. med. B.________ vom 29. September 2020 zu Recht grundsätzlich Beweiskraft bei. Die Parteien sind sich einig, dass die Diagnose einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung mit unreifen und haltlosen Zügen bei komplexer Traumatisierung vom psychiatrischen Gutachter lege artis gestellt wurde. Es liegt ein verselbstständigter Gesundheitsschaden vor; die psychosozialen und soziokulturellen Belastungsfaktoren stehen dieser Annahme nicht entgegen (BGE 141 V 281 E. 3.4.2.1 mit Hinweisen und E. 4.3.3 mit Hinweis auf BGE 127 V 294 E. 5a; vgl. auch BGE 143 V 409 E. 4.5.2 sowie Urteile 9C_10/2021 vom 15. Juni 2021 E. 3.3.1; 8C_559/2019 vom 20. Januar 2020 E. 3.2 mit Hinweis; 8C_407/2020 vom 3. März 2021 E. 4.1). Solche Faktoren und ihre Entwicklung sind mit Blick auf die Komplexe "Persönlichkeit" und "sozialer Kontext" (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.3.2 und 4.3.3) bei der Beurteilung von Einschränkungen infolge psychischer Erkrankungen grundsätzlich stets zu berücksichtigen. Dem trug Dr. med. B.________ Rechnung, wie die Vorinstanz einlässlich darlegte, indem er zwar auf einen sekundären Krankheitsgewinn und psychosoziale Belastungsfaktoren (motivationale Faktoren) hinwies, die einer wirksamen Behandlung der grundsätzlich behandelbaren Persönlichkeitsstörung entgegenstünden, aber gleichzeitig festhielt, dass die aktuelle Arbeitsunfähigkeit vor allem auf ein psychisches Leiden mit Krankheitswert zurückzuführen sei. Hauptproblem hinsichtlich Arbeitsfähigkeit sei seine ausgeprägte Angst vor Anforderungen und dem damit verbundenen Insuffizienzerleben sowie vor Ausgrenzung und Blossstellung. Zur Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als Recyclist gab der Experte an, die Ängste des Beschwerdeführers seien hier krankhaft übersteigert und zeigten ein Ausmass, bei dem eine "ad hoc Überwindung" wahrscheinlich unmöglich sei, weshalb eine kleinschrittige Annäherung nötig sei. Am 12. Dezember 2020 legte der Psychiater präzisierend dar, wenn dem Beschwerdeführer mitgeteilt würde, er sei ab sofort zu 100 % in einer angepassten Tätigkeit arbeitsfähig, könnte er dies krankheitsbedingt nicht umsetzen. Mit Blick auf eine vertiefte medizinische Therapie stellte er klar, die Motivation für eine Behandlung sei durch krankheitswertige Faktoren (Angst vor erneuter Abwertung) eingeschränkt. Das Risiko des Scheiterns einer Therapie sei bei der stationären Variante höher als bei der ambulanten; bei letzterer könnten die Anforderungen in sehr kleinen Schritten erhöht werden. Der Beschwerdeführer habe noch nicht verstanden, dass er sich in eine Krankheitsrolle zurückgezogen und welche kurz- oder langfristige Vor- und Nachteile dieses generelle Vermeidungsverhalten für ihn habe.
4.2. Was die verbleibende Restarbeitsfähigkeit betrifft, ist die Würdigung der Arbeitsfähigkeit durch die Vorinstanz, die sie anhand einer Indikatorenprüfung durchführte (vorstehende E. 2.2), willkürfrei. Daher bleibt es bei ihrer Feststellung einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als Recyclist (seit der Dekompensation Anfang 2018). Dasselbe gilt für die vorinstanzliche Annahme einer ab Gutachtenszeitpunkt bestehenden 100%igen Arbeitsfähigkeit in einer optimal angepassten Tätigkeit, die der gutachterlichen Einschätzung entspricht. Daran ändert nichts, dass die Arbeitsfähigkeitsschätzung des Experten insofern leicht widersprüchlich ist, als er in seiner Stellungnahme vom 12. Dezember 2020 festhielt, der Beschwerdeführer benötige eine therapeutische Unterstützung für die Umsetzung der Arbeitsfähigkeit, was sich auch auf eine angepasste Tätigkeit bezog. Gleichzeitig gab er jedoch im Gutachten zur Frage der Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit an, aktuell kämen nur Tätigkeiten in Frage, die der Beschwerdeführer alleine zu Hause verrichten könne. Denkbar sei die Tätigkeit als Messerschleifer, dabei bräuchte er vermutlich jemanden, der ihm die Aufträge akquiriere sowie die Messer abhole und bringe. Auch habe der Beschwerdeführer angegeben, schwierige Schleifarbeiten nicht durchführen zu können; diese habe sein Vater jeweils für ihn gemacht. Die Vorinstanz schloss hieraus nicht offensichtlich unrichtig und damit willkürfrei, dass dem Beschwerdeführer zum Gutachtenszeitpunkt grundsätzlich die Tätigkeiten als Schrotthändler und Messerschleifer - ohne Akquisition und Kundenkontakt und daher mit einem Geschäftspartner - vollständig zumutbar seien, wobei Dr. med. B.________ die Tätigkeit als Schrotthändler in diesem Zusammenhang nicht nannte. Daneben seien weitere Tätigkeiten denkbar, so die Vorinstanz weiter, die er von zu Hause aus oder in einer ausserhäuslichen Werkstatt ausüben könne. Dr. med. B.________ habe hinsichtlich Arbeiten mit Altmaterialien (Sortieren, Aufarbeiten, Verkleinern, Verwertbarmachen, Weiterverwenden) keine konkret unzumutbaren Aspekte genannt.
 
4.3.
 
4.3.1. Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers befasste sich die Vorinstanz mit der Frage der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der attestierten Arbeitsfähigkeit und bejahte sie. Sie legte jedoch nicht näher dar, weshalb sie annahm, dass der ausgeglichene Arbeitsmarkt genügend Tätigkeiten bietet, die der Beschwerdeführer weitgehend alleine verrichten könnte. Nach dem soeben Dargelegten umfasste das im Gutachtenszeitpunkt geltende zumutbare Arbeitsplatz- und Tätigkeitsprofil einzig Tätigkeiten alleine zu Hause. Zumutbare Tätigkeiten im Angestelltenverhältnis schloss der Gutachter demnach aus. Lediglich im Sinne einer Idee erwähnte er in diesem Zusammenhang das Scherenschleifen, das der Beschwerdeführer zuletzt zusammen mit seinem Vater betrieb, um gleichzeitig einschränkend zu bemerken, dass er nicht wisse, ob die fachliche Qualifikation hierzu genüge. Überdies kann dem Beschwerdeführer weder Kundenkontakt noch die Auftragsakquisition zugemutet werden, weshalb er auch beim Scherenschleifen zu Hause auf einen Geschäftspartner angewiesen wäre. Wie in der Beschwerde zu Recht eingewendet wird, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Wohnung des Beschwerdeführers, was insbesondere Lärmemission und Platz betrifft, für die Tätigkeit als Scherenschleifer (oder Schrotthändler) geeignet wäre, was die Miete einer passenden Räumlichkeit bzw. Werkstatt nebst der Suche nach einem Geschäftspartner bedingen würde. Angesichts dieses sehr begrenzten Arbeitsplatzprofils, das sogar Nischenarbeitsplätze im Angestelltenverhältnis ausschliesst, und der äusserst eingeschränkt möglichen selbstständigen Tätigkeit, sind die Bedingungen für eine zumutbare Tätigkeit derart eng umschrieben, dass sie der ausgeglichene Arbeitsmarkt praktisch nicht kennt.
4.3.2. Beim ausgeglichenen Arbeitsmarkt handelt es sich zwar um eine theoretische Grösse, so dass eine Unverwertbarkeit der verbliebenen Leistungsfähigkeit nicht leichthin angenommen werden kann (vgl. Urteil 9C_500/2021 vom 9. Dezember 2021 E. 6.1 mit Hinweis). Dennoch lässt sich in Berücksichtigung der vorinstanzlichen Feststellungen zur zumutbaren Restarbeitsfähigkeit und der soeben dargelegten Umstände der vorinstanzliche Schluss auf eine wirtschaftliche Verwertbarkeit der im Gutachtenszeitpunkt vorhandenen Arbeitsfähigkeit in Bejahung eines intakten Zugangs zum ausgeglichenen Arbeitsmarkt hier nicht halten. Daran ändert auch Urteil 9C_15/2020 vom 10. Dezember 2020 E. 6.2 nichts, wie der Beschwerdeführer zutreffend einwendet. Das Bundesgericht hat darin in Bezug auf die Tätigkeit einer kaufmännischen Angestellten die wirtschaftliche Verwertbarkeit bejaht. Es hat festgehalten, dass der (theoretisch) ausgeglichene Arbeitsmarkt gerade im kaufmännischen Bereich diverse Arbeitsstellen kennt, die von zu Hause aus ausgeführt werden können, da sie nicht an einen bestimmten Arbeitsort gebunden sind. Nachdem hier eine entscheidwesentlich andere Ausgangslage gegeben ist, steht dieses soeben zitierte Urteil einer Verneinung der Verwertbarkeit der bestehenden Arbeitsfähigkeit nicht entgegen.
4.4. Fehlt es an der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt, liegt eine vollständige Erwerbsunfähigkeit vor, die Anspruch auf eine ganze Rente ab 15. März 2019 (Ablauf Wartejahr: 14. März 2019 [Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG]) gibt (Urteil 9C_766/2019 vom 11. September 2020 E. 4.5 mit Hinweis).
 
5.
 
5.1. Was die gutachterlicherseits vorgeschlagene Therapieintensivierung anbelangt, erkannte die Vorinstanz willkürfrei, medizinisch-theoretisch bestünden keine relevanten krankheitsbedingten Einschränkungen, die dieser entgegenstünden. Folglich bejahte die Vorinstanz die Zumutbarkeit einer Intensivierung der psychiatrischen Therapie im Sinne des Experten, was die Palette möglicher Arbeitsstellen erweitere. Dies ist nicht zu beanstanden, zumal Dr. med. B.________ ausdrücklich verneinte, dass medizinische Gründe gegen das skizzierte Vorgehen sprächen, und die Zumutbarkeitsbeurteilung der rechtsanwendenden Stelle überliess. Gegen die Zumutbarkeit einer intensivierten Therapie wird nichts Stichhaltiges vorgebracht. Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer, soweit er einwendet, es müsse zuerst geprüft werden, ob diese Massnahme die Arbeitsfähigkeit tatsächlich verbessere. Der psychiatrische Experte legte schlüssig dar, weshalb er überwiegend wahrscheinlich von einer gesteigerten Erwerbsfähigkeit im Sinne einer vollständigen Arbeitsfähigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nach Therapieende ausging. Es bestehen keinerlei Hinweise, dass sein skizziertes Vorgehen aus medizinischer Sicht nicht zumutbar oder erfolgversprechend wäre.
5.2. Daher wird die IV-Stelle unter Hinweis auf die dem Beschwerdeführer obliegende Mitwirkungs- und Schadenminderungspflicht, allenfalls nach Rücksprache mit dem Experten und dem behandelnden Psychiater, entsprechende therapeutische Massnahmen anzuordnen, und, falls nötig, ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren (Art. 21 Abs. 4 ATSG) durchzuführen haben. Auf die weiteren Vorbringen in der Beschwerde braucht bei diesem Ausgang des Verfahrens nicht weiter eingegangen zu werden.
6.
Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Antrag auf unentgeltliche Prozessführung des Beschwerdeführers im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten ist damit gegenstandslos. Er wird ferner durch eine Mitarbeiterin der Sozialen Dienste der Stadt Zürich vertreten. Dass ihm dadurch Kosten erwachsen sein sollen, ist nicht ersichtlich (vgl. §§ 11-13 des zürcherischen Sozialhilfegesetzes vom 14. Juni 1981 [SHG; SR 851.1]) und wird auch nicht geltend gemacht. Er hat daher keinen Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 126 V 11 E. 5; Urteile 8C_189/2018 vom 25. Mai 2018 E. 5; 9C_61/2018 vom 8. Mai 2018 E. 4). Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. November 2021 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 6. Mai 2021 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung ab 15. März 2019 hat.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Gerichtskosten des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. Juni 2022
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Die Gerichtsschreiberin: Polla