Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 4A_163/2022 vom 08.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
4A_163/2022
 
 
Urteil vom 8. Juni 2022
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
 
Gerichtsschreiber Brugger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Jörger, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
1. B.B.________,
 
2. C.B.________,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt
 
Thomas Häusermann,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Forderung, Widerklage, Teilurteil,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz, 1. Zivilkammer, vom 24. Februar 2022
 
(ZK1 2021 7).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Die A.________ AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist Einzelaktionärin der D.________ AG. Sie schloss am 15. Februar 2016 mit B.B.________ und C.B.________ (Beklagte, Beschwerdegegner) einen als "Bindender Vorvertrag" bezeichneten Vertrag ab, worin die Parteien die Grundlagen für den Betriebsübergang der D.________ AG von der Klägerin auf die Beklagten regelten. Die Betriebsübergabe scheiterte, wobei sich die Parteien gegenseitig dafür verantwortlich machen.
 
B.
 
Am 31. Juli 2017 erhob die Klägerin am Bezirksgericht March Klage. Sie beantragte zusammengefasst, die Beklagten seien zu verpflichten, ihr Fr. 60'000.-- für Mietzinsausstände von Februar 2017 bis April 2017 sowie Fr. 21'408.80 und Fr. 392'982.08 für Kreditorenausstände zu bezahlen. Mit Klageantwort erhoben die Beklagten Widerklage und forderten von der Klägerin, "Fr. 290'000.--, mindestens Fr. 248'483.70 und Fr. 105'000.--".
Das Bezirksgericht wies mit Urteil vom 16. Dezember 2020 die Klage ab (Dispositivziffer 1) und verpflichtete die Klägerin, den Beklagten Fr. 290'000.-- und Fr. 135'000.-- zu bezahlen. Im Übrigen wies es die Widerklage ab (Dispositivziffer 2).
Dagegen erhob die Klägerin Berufung an das Kantonsgericht Schwyz. Mit Beschluss vom 24. Februar 2022 trat das Kantonsgericht auf die Berufung hinsichtlich der Klageabweisung mangels reformatorischem Berufungsantrag nicht ein. Im Übrigen hiess es die Berufung teilweise gut. Es hob die Dispositivziffer 2 des erstinstanzlichen Urteils betreffend die Widerklage auf und wies die Sache diesbezüglich zur Beweisabnahme und Neubeurteilung an die Erstinstanz zurück.
 
C.
 
Gegen den Beschluss des Kantonsgerichts erhebt die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, es sei in Aufhebung des Beschlusses des Kantonsgerichts auf die Berufung hinsichtlich der Klageabweisung einzutreten, das Urteil des Bezirksgerichts sei aufheben und ihre Klage sei vollumfänglich gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz und subeventualiter an die Erstinstanz zurückzuweisen.
Auf das Einholen von Vernehmlassungen zur Beschwerde wurde verzichtet.
 
 
Erwägung 1
 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine bei ihm eingereichte Beschwerde zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 141 III 395 E. 2.1; 140 IV 57 E. 2; 139 III 133 E. 1). Immerhin ist die Beschwerde gemäss Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG hinreichend zu begründen. Die beschwerdeführende Partei muss - soweit es nicht offensichtlich ist - insbesondere darlegen, dass die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind. Andernfalls genügt sie ihrer Begründungspflicht nicht und es ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 134 II 120 E. 1; 133 II 353 E. 1; Urteile 5A_437/2018 vom 2. November 2018 E. 2.3; 4A_461/2017 vom 26. März 2018 E. 1.1, nicht publ. in BGE 144 III 253).
 
Erwägung 2
 
Die Beschwerdeführerin wendet sich vor Bundesgericht einzig gegen den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid bezüglich ihrer Berufung gegen die erstinstanzliche Klageabweisung. Sie macht hierzu geltend, es handle sich um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG, da das kantonale Verfahren bezüglich ihrer Klage abgeschlossen sei.
2.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist in der Regel erst gegen Endentscheide der oberen kantonalen Gerichte zulässig (Art. 90 BGG). Ein Entscheid ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG, wenn mit dem vorinstanzlichen Entscheid das Verfahren in der Hauptsache beendet wird, und zwar unabhängig davon, ob aus verfahrensrechtlichen Gründen oder ob materielles Recht zu diesem Ergebnis führt (BGE 141 III 395 E. 2.2; 134 III 426 E. 1.1; 133 III 629 E. 2.2; 133 V 477 E. 4.1). Es kommt allein darauf an, ob das erstinstanzliche Verfahren beendet ist oder nicht (BGE 141 III 395 E. 2.2).
2.2. Die Beschwerdegegner brachten mit ihrer Widerklage neue Ansprüche in das von der Beschwerdeführerin anhängig gemachte Verfahren ein. Diese Gegenansprüche beurteilte die Erstinstanz zusammen mit den Ansprüchen der Beschwerdeführerin im gleichen Verfahren. Mit dem angefochtenen Entscheid wird dieser gemeinsame, erstinstanzliche Prozess nicht beendet, wies doch die Vorinstanz bezüglich der Widerklage die Sache an die Erstinstanz zur Durchführung eines Beweisverfahrens und zu neuem Entscheid zurück, sodass das erstinstanzliche Verfahren weitergeht. Ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG liegt nicht vor.
 
Erwägung 3
 
Es ist daher zu prüfen, ob das angefochtene Urteil bezüglich der Klage ein beschwerdefähiger Teilentscheid im Sinne von Art. 91 BGG darstellt.
3.1. Ein Teilentscheid stellt innerhalb der Systematik des BGG eine Variante des Endentscheids dar (BGE 146 III 254 E. 2.1; 141 III 395 E. 2.2; 135 III 212 E. 1.2.1). Er schliesst das Verfahren vor der unteren Instanz nicht vollständig ab, sondern befindet einzig über ein oder mehrere Rechtsbegehren. Derartige Teilentscheide sollen nur unter gewissen eng umschriebenen Voraussetzungen anfechtbar sein, wobei die Prozessökonomie im Vordergrund steht (BGE 146 III 254 E. 2.1.2 mit Hinweis).
3.2. Unter den Begriff des Teilentscheides nach Art. 91 BGG fällt einerseits der Entscheid, der nur einen Teil der gestellten Begehren behandelt, wenn diese Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden können (Art. 91 lit. a BGG), und andererseits der Entscheid, welcher das Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen abschliesst (Art. 91 lit. b BGG). Letztere Variante spielt vorliegend keine Rolle, da sich im Prozess lediglich zwei Parteien gegenüberstehen.
3.3. Als Entscheid nach Art. 91 lit. a BGG, der nur einen Teil der gestellten Begehren behandelt, wird in der Regel die objektive Klagehäufung genannt (vgl. BGE 146 III 254 E. 2.1 und E. 2.1.2 mit Hinweisen), mithin die Situation in welcher der Kläger mehrere Ansprüche gegen den Beklagten in einer Klage vereint (Art. 90 ZPO) und das Gericht vorab über einen Teil der Begehren entscheidet. Ein anfechtbarer Teilentscheid im Sinne von Art. 91 lit. a BGG kann aber auch bei einem Verfahren mit Klage und Widerklage entstehen (vgl. BGE 132 III 785 E. 2 am Ende; Urteile 4A_85/2007 vom 11. Juni 2007 E. 3.3; 5C.B.15/2005 vom 30. Mai 2005 E. 1.1), wenn also im Prozess mehrere Begehren "wechselseitig gehäuft" werden.
Art. 91 lit. a BGG verlangt jedoch für die Anfechtbarkeit des Teilentscheids, dass die Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden können. Unabhängigkeit im Sinne von Art. 91 lit. a BGG ist zum einen so zu verstehen, dass die gehäuften Begehren auch Gegenstand eines eigenen Prozesses hätten bilden können (BGE 146 III 254 E. 2.1.1; 141 III 395 E. 2.4; 135 III 212 E. 1.2.2). Zum anderen erfordert die Unabhängigkeit, dass der angefochtene Entscheid einen Teil des gesamten Prozessgegenstands abschliessend beurteilt, ohne dass die Gefahr besteht, dass die noch ausstehende Entscheidung über den verbliebenen Prozessgegenstand im Widerspruch zum bereits rechtskräftig ausgefällten Teilurteil steht. Ist dies der Fall, liegt kein anfechtbarer Teilentscheid vor (BGE 146 III 254 E. 2.1.1; 141 III 395 E. 2.4; 135 III 212 E. 1.2.3).
3.4. Die Beschwerdeführerin äussert sich in ihrer Beschwerdeschrift nicht zur Voraussetzung der Unabhängigkeit im Sinne von Art. 91 lit. a BGG, da sie irrtümlich davon ausgeht, dass es sich beim angefochtenen Entscheid um einen Endentscheid nach Art. 90 BGG handelt. Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin kommt damit ihrer Begründungspflicht nicht rechtsgenüglich nach (Erwägung 1). Da unter den vorliegenden Umständen des konkreten Einzelfalls auch nicht offensichtlich ist, dass durch die Vorabentscheidung keine Gefahr widersprüchlicher Urteile entstünde, liegt kein anfechtbares Teilurteil vor.
Unabhängig davon macht es den Anschein, dass unter den vorliegenden Umständen die Unabhängigkeit im Sinne von Art. 91 lit. a BGG nicht gegeben wäre: Während die Beschwerdeführerin offenbar Ansprüche aus dem ihrer Ansicht nach berechtigten Vertragsrücktritt geltend macht und Mietzinsausstände sowie Kreditorenausstände fordert, stellen sich die Beschwerdegegner auf den gegenteiligen Standpunkt. Sie erklären, dass der Vertragsrücktritt unzulässig gewesen sei und sie so zu stellen seien, als ob sie nie eine vertragliche Bindung eingegangen wären (Rückerstattung des bereits Geleisteten, u.a. Mietzinsen, Investitionen und weitere Leistungen). Es scheint, dass sich unter den vorliegenden Umständen Klage und Widerklage gegenseitig ausschliessen, indem die Gutheissung der einen, die Abweisung der anderen zur Folge hätte. In einer solchen Konstellation, bei der Klage und Widerklage in einem unlösbaren Zusammenhang stehen, fehlte es an der Unabhängigkeit nach Art. 91 lit. a BGG.
 
Erwägung 4
 
Erfüllt ein Entscheid weder die Kriterien des Endentscheids noch diejenigen des Teilentscheids, liegt ein Vor- bzw. Zwischenentscheid vor (BGE 141 III 395 E. 2.5), gegen welchen die Beschwerde nur zulässig ist, sofern die in den Art. 92 bzw. 93 BGG genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
4.1. Der Zwischenentscheid betrifft vorliegend weder die Zuständigkeit noch den Ausstand (Art. 92 BGG). Die Beschwerde an das Bundesgericht ist daher nur zulässig, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Nach der Rechtsprechung obliegt es der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass eine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt ist, es sei denn, deren Vorliegen springe geradezu in die Augen (Erwägung 1; BGE 141 III 80 E. 1.2, 395 E. 2.5; 137 III 324 E. 1.1).
4.2. Die Beschwerdeführerin legt weder dar, inwiefern ihr durch das angefochtene Urteil ein Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG drohen könnte, noch inwiefern die Gutheissung ihrer Beschwerde einen Endentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG herbeiführen könnte. Da solches jedenfalls nicht geradezu in die Augen springt, kann auf die Beschwerde auch gestützt auf Art. 93 Abs. 1 BGG nicht eingetreten werden.
Die Beschwerdeführerin ist immerhin darauf hinzuweisen, dass ihr die Möglichkeit bleibt, später nach den Vorgaben von Art. 93 Abs. 3 BGG gegen den angefochtenen Entscheid an das Bundesgericht zu gelangen (vgl. BGE 143 III 290 E. 1.3; 142 II 363 E. 1.1).
 
Erwägung 5
 
Nach dem Ausgeführten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf den geringen Aufwand für den vorliegenden Entscheid wird eine reduzierte Gerichtsgebühr erhoben.
Die Beschwerdegegner haben keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da ihnen aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein entschädigungspflichtiger Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Juni 2022
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Hohl
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger