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Bearbeitung, zuletzt am 05.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 1C_618/2021 vom 15.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
1C_618/2021
 
 
Urteil vom 15. Juni 2022
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
 
Bundesrichterin Jametti,
 
Nebenamtliche Bundesrichterin Pont Veuthey,
 
Gerichtsschreiber Hahn.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
B.________, c/o Kantonspolizei St. Gallen, Klosterhof 12, 9001 St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
 
Kantonales Untersuchungsamt,
 
Spisergasse 15, 9001 St. Gallen.
 
Gegenstand
 
Ermächtigungsverfahren,
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 6. Oktober 2021 (AK.2021.379-AK (ST.2021.21351)).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Das Untersuchungsamt Gossau führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der Pornographie. Am 28. Juli 2021 erstattete dieser bei der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt, Strafanzeige gegen die Polizeibeamtin B.________ wegen Amtsmissbrauchs und Nötigung.
B.
Das Kantonale Untersuchungsamt überwies die Strafanzeige zum Entscheid über die Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung an die Anklagekammer des Kantons St. Gallen. Diese entschied am 6. Oktober 2021, die Ermächtigung zur Eröffnung der Strafuntersuchung nicht zu erteilen.
C.
Mit Eingabe vom 7. Oktober 2021 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Entscheid der Anklagekammer vom 6. Oktober 2021 sei aufzuheben.
Die Anklagekammer und das Kantonale Untersuchungsamt haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegnerin liess sich vernehmen ohne einen Antrag in der Sache zu stellen.
 
1.
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid über die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafuntersuchung steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1). Die Beschwerdegegnerin gehört nicht den obersten kantonalen Vollziehungs- und Gerichtsbehörden an, weshalb der Ausschlussgrund von Art. 83 lit. e BGG nicht zur Anwendung gelangt.
1.2. Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone vorsehen, dass die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer nicht richterlichen Behörde abhängt. Diese Bestimmung bietet den Kantonen die Möglichkeit, die Strafverfolgung sämtlicher Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden von einer Ermächtigung abhängig zu machen. Als Vollziehungsbehörden gelten alle Organisationen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Der Kanton St. Gallen hat von seiner gesetzlichen Kompetenz Gebrauch gemacht und ein Ermächtigungsverfahren eingeführt (Art. 17 Abs. 2 lit. b des Einführungsgesetzes des Kantons St. Gallen vom 3. August 2010 zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung [EG-StPO]; sGS 962.1; vgl. Urteil 1C_23/2021 vom 31. Mai 2021 E. 1.2).
1.3. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Anklagekammer die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen die Polizeibeamtin B.________ wegen den angezeigten Delikten verweigert. Damit fehlt es an einer Prozessvoraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens, womit das Verfahren abgeschlossen ist. Angefochten ist somit ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer war am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt und ist zur Erhebung der Beschwerde berechtigt, da seine Strafanzeige aufgrund des angefochtenen Entscheids nicht mehr weiter behandelt werden kann (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
2.
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung einer Beschwerde in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten gilt der in Art. 106 Abs. 1 BGG verankerte Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht; insofern besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 145 I 26 E. 1.3; 143 I 377 E. 1.2; 136 I 49 E. 1.4.1; je mit Hinweisen). Es obliegt der beschwerdeführenden Person klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern die angerufenen Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 142 V 577 E. 3.2). Auf Rügen, mit denen bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geübt wird, tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 II 369 E. 2.1; 137 V 57 E. 1.3).
3.
3.1. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde einzig eine Verletzung seines Gehörsanspruchs (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK) geltend. Er beanstandet, ihm sei die Eingabe des Kommandos der Kantonspolizei vom 7. September 2021 nicht zugestellt worden. Er sei daher nicht in der Lage, sich darüber klar zu werden, ob er eine Entgegnung darauf für erforderlich halte und ob er den Entscheid der Anklagekammer materiell anfechten wolle.
3.2. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Die Beschwerdegegnerin und das Kommando der Kantonspolizei haben ihre Stellungnahmen an die Vorinstanz am 6. bzw. am 18. August 2021 eingereicht. Diese Rechtsschriften wurden dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 23. August 2021 zur Orientierung zugestellt; dabei hat ihn die Vorinstanz ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass ein weiterer Schriftenwechsel nicht vorgesehen sei. Dennoch hat sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 1. September 2021 ausführlich zu den erwähnten Stellungnahmen geäussert. Diese Eingabe wurde wiederum dem Kommando der Kantonspolizei zugestellt. Dieses hat sich in der Folge aber - entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers - nicht mehr materiell geäussert. Es hat im Gegenteil ausdrücklich darauf verzichtet, sich erneut zur Sache zu äussern.
3.3. Somit waren dem Beschwerdeführer alle Argumente des Kommandos der Kantonspolizei (und im Übrigen auch der Beschwerdegegnerin) hinlänglich bekannt. Die Formulierung im angefochtenen Entscheid, die Kantonspolizei habe "im Wesentlichen" auf die Eingabe vom 18. August 2021 verwiesen, mag insofern etwas missverständlich sein. Tatsächlich hat diese aber, wie erwähnt, inhaltlich nicht mehr Stellung genommen. Der Beschwerdeführer hat somit Gelegenheit gehabt, sich zu allen ihren Vorbringen zu äussern und ihm kam in der Sache auch das letzte Wort zu. Es bestand folglich in keinem Zeitpunkt die Gefahr, dass die Vorinstanz in ihrem Entscheid nicht alle Argumente des Beschwerdeführers - und alle seine Entgegnungen auf die Einwände des Kommandos der Kantonspolizei - hätte berücksichtigen können. Dieser vermochte gestützt auf den Entscheid der Anklagekammer auch ohne weiteres zu beurteilen, ob er diesen materiell anfechten wollte oder nicht. Eine Gehörsverletzung liegt somit nicht vor.
4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigung ist keine geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. Juni 2022
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kneubühler
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn