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BGer 6B_699/2021 vom 21.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
6B_699/2021
 
 
Urteil vom 21. Juni 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin van de Graaf, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Advokatin Angela Agostino,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Amt für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt, Straf- und Massnahmenvollzug,
 
Spiegelgasse 12, 4051 Basel,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Vollzugsbefehl; Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung; Kosten, Entschädigung, Genugtuung; rechtliches Gehör, genügende Verteidigung etc.,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Einzelgericht, vom 7. Mai 2021 (VD.2021.38).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________, albanischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Italien, war vom Tribunal de police Genève am 22. August 2017 zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, 10 Tagessätzen Geldstrafe und 5 Jahren Landesverweisung (Art. 66abis StGB) verurteilt worden.
A.b. A.________ wurde mit Strafbefehl vom 29. Oktober 2018 der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt wegen Verweisungsbruchs (Art. 291 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 120 Tagen verurteilt (infolge Widerrufs als Gesamtstrafe unter Einbezug der Reststrafe von 90 Tagen aus der mit Entscheid vom 28. November 2017 des Tribunal d'application des peines et mesures Genève gewährten bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug). Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt widerrief die von der Staatsanwaltschaft des Kantons Genf am 4. April 2017 bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 180 Tagessätzen nicht, verwarnte ihn und verlängerte die 3-jährige Probezeit um 1,5 Jahre.
A.c. Diesem Strafbefehl vom 29. Oktober 2018 liegt sachverhaltlich zugrunde, dass der mehrfach einschlägig wegen Verletzung des AuG vorbestrafte A.________ am 12. Mai 2018 entgegen der bestehenden Landesverweisung beim Grenzübergang Basel/Weil-Autobahn illegal in die Schweiz eingereist sei.
Nach der diesbezüglichen Anzeige der Grenzwache Basel Nord (Rapport vom 12. Mai 2018) war beim mit Flixbus reisenden A.________ festgestellt worden, dass er "im RIPOL mit einem Landesverweis (in Rechtskraft erwachsen) und einem Einreiseverbot (eröffnet) ausgeschrieben ist". Nach Rücksprache mit dem Pikett Migrationsamt Basel-Stadt wird im Rapport festgehalten: "Betreffend dem Overstay sollen keine Massnahmen getroffen werden, da die Person diesbezüglich nicht gegen Schweizer Gesetze verstossen habe." Bei der Gepäckschau wurde bei ihm der albanische Pass gefunden. Ihm wurde die Einreise formlos verweigert, und er kehrte um 15:05 Uhr zu Fuss Richtung Deutschland zurück. Mangels Sprachkenntnissen konnte er nicht befragt werden.
 
B.
 
B.a. A.________ wurde am 8. Februar 2021 am Grenzübergang Basel/St. Louis-Autobahn festgenommen. Die Vollzugsbehörde (Amt für Justizvollzug, Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug) verfügte am 9. Februar 2021 den Vollzug des Strafbefehls vom 29. Oktober 2018 ab dem 9. Februar 2021. Einem Rekurs wurde wegen Fluchtgefahr die aufschiebende Wirkung entzogen.
B.b. A.________ wandte sich am 19. Februar 2021 an das Amt für Justizvollzug, welches ihm am 2. März 2021 mitteilte, welche Verurteilungen gegen ihn vorliegen und dass er diese Freiheitsstrafen seit dem 8. Februar 2021 verbüsse.
B.c. A.________ rekurrierte mit Schreiben vom 8. März 2021 in französischer Sprache (Postaufgabe am 9. März 2021) beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht. Er bezog sich darin auf "Votre courrier du 9 février 2021" und hielt u.a. fest, "je suis en dètention [...] depuis 9 février 2021. J'ai eu 10 jours pour faire recours, mais malheureuesement je n'ai pas compris et je n'avais pas la défense non plus". Weiter bestritt er den vorgeworfenen Verweisungsbruch. Nach den Akten ist seine Muttersprache Albanisch und spricht er auch Italienisch.
B.d. Das Verwaltungsgericht edierte die Akten der Vollzugsbehörde und verzichtete auf eine Vernehmlassung.
B.e. Die heutige Anwältin zeigte am 21. April 2021 ihre Mandatierung an. Nachdem die Staatsanwaltschaft der Anwältin die Akten mit dem Strafbefehl vom 29. Oktober 2018 zugestellt hatte, erhob diese mit Eingabe vom 29. April 2021 "innert 10 Tagen seit (erstmaligem) Erhalt des Strafbefehls fristgerecht Einsprache", der Strafbefehl sei völkerrechtswidrig nicht auf dem Rechtshilfeweg, sondern mit normaler Post an eine falsche Adresse in Italien zugestellt worden.
B.f. Die Anwältin beantragte beim Verwaltungsgericht mit Eingabe vom 4. Mai 2021, A.________ umgehend aus dem Strafvollzug zu entlassen, ihm eine Genugtuung für den rechtswidrigen Freiheitsentzug zuzusprechen und eventualiter das Verfahren bis zum Abschluss des Einspracheverfahrens gegen den Strafbefehl zu sistieren. Die Eingabe wurde u.a. damit begründet, "die Beschwerde [sei] vorliegend nicht verspätet", da gegen den Vollzug einer Strafe, welcher ohne rechtskräftigen Titel verfügt worden sei, "ein jederzeitiges Beschwerderecht" bestehe bzw. die Frist wiederherzustellen sei, "weil der Beschwerdeführer die Rechtsmittelbelehrung mangels Sprachkenntnissen überhaupt nicht" habe verstehen können; er habe den Strafbefehl nie erhalten; es sei davon auszugehen, dass dieser, ohne tatsächlich zugestellt worden zu sein, für rechtskräftig erklärt worden sei.
B.g. Das Verwaltungsgericht trat am 7. Mai 2021 auf den Rekurs vom 8. März 2021 nicht ein.
C.
A.________ beantragt beim Bundesgericht mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil aufzuheben, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, sie eventuell als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln und ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer reicht dem Bundesgericht ein Schreiben vom 4. Mai 2021 (eingegangen bei seiner Anwältin am 6. Mai 2021) des Leitenden Staatsanwalts der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt an den Strafvollzug Basel-Stadt folgenden Inhalts ein: "Aufgrund einer zwischenzeitlich erhobenen Einsprache hat sich ergeben, dass unser Strafbefehl vom 29.10.2018 noch nicht rechtskräftig ist. Ich ersuche Sie daher, [den Beschwerdeführer] unverzüglich aus dem Strafvollzug zu entlassen."
Soweit nach dem Urteil vom 7. Mai 2021 und der Beschwerde ersichtlich ist, hatte die Vorinstanz im Urteilszeitpunkt keine Kenntnis von diesem Schreiben. Dieses unechte Novum (d.h. eine nicht erst nach dem angefochtenen Urteil entstandene Tatsache; BGE 143 IV 9 E. 1.2) ist - auch wenn es den Verfahrensausgang nicht entscheidet - vor Bundesgericht ausnahmsweise nicht unbeachtlich. Dieses Novum ist durch den Nichteintretensentscheid rechtswesentlich geworden (vgl. Urteile 6B_1040/2020 vom 21. März 2022 E. 1; 2C_955/2019 vom 29. Januar 2020 E. 4.3; HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl. 2015, N. 16 zu Art. 99 BGG), da die Annahme eines formellrechtlichen Mangels im Sinne einer Rechtsverweigerung im vollzugsrechtlichen Verfahren durchaus in Betracht zu ziehen (vgl. J OHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 46 zu Art. 99 BGG) und ein schutzwürdiges Interesse zu bejahen ist.
1.2. Auf das Rechtsbegehren, die Beschwerde eventualiter als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen, ist nicht einzutreten. Die Beschwerde in Strafsachen ist das zutreffende Rechtsmittel (Art. 78 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Ziff. 1 BGG; vgl. Urteil 6B_128/2021 vom 12. März 2021 E. 2, 3.3).
1.3. Anfechtungsgegenstand ist der Nichteintretensentscheid. Die Vorinstanz begründet ihr Nichteintreten mit dem nicht fristgemäss erhobenen Rekurs vom 8. März 2021 und nimmt im Übrigen an, eintretendenfalls würde der Rekurs die Rügevoraussetzungen nicht erfüllen. Bei solchen Eventualbegründungen sind alle Begründungen anzufechten (Urteil 6B_1419/2021 vom 18. März 2022 E. 2.3.3).
In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz. Es genügt nicht, einen Standpunkt frei zu diskutieren. Vielmehr ist an der als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägung der Vorinstanz anzusetzen (BGE 146 IV 297 E. 1.2; Urteile 6B_210/2021 vom 24. März 2022 E. 2.6; 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 1; 6B_970/2017 vom 17. Oktober 2017 E. 4).
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, andernfalls darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 148 IV 39 E. 2.3.5, 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; Urteil 6B_423/2021 vom 17. Februar 2022 E. 1.1).
Zum massgebenden Sachverhalt im Sinne von Art. 105 Abs. 1 BGG gehören sowohl die Feststellungen über den Lebenssachverhalt, der dem Streitgegenstand zugrunde liegt, als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). Beschwerdegegenstand bildet der mit Vollzugsbefehl vom 9. Februar 2021 verfügte Vollzug des Strafbefehls vom 29. Oktober 2018. Diese Verfügung ist der Verfahrensgegenstand, der nicht erweitert oder verändert werden kann (Urteil 6B_1409/2021 vom 10. Februar 2022 E. 2.4).
1.4. Die Vorinstanz bejaht ihre Zuständigkeit und weist darauf hin, dass zwar das Dreiergericht zuständig wäre, da jedoch auf den Rekurs infolge Säumnis nicht eingetreten werden könne, sei der Einzelrichter bzw. Verfahrensleiter zuständig (§ 44 Abs. 1 und § 99 Abs. 1 Ziff. 11 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG/BS; SG 154.100]). Das wird vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt.
 
Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt der Legitimation vor, er sei zwischenzeitlich aus dem Strafvollzug entlassen worden und habe dennoch ein schutzwürdiges Interesse an der Beurteilung seiner Beschwerde. Es seien ihm die Kosten auferlegt worden, obwohl die Beschwerde hätte gutgeheissen werden müssen und es sich um Rechtsverweigerung und -verzögerung handle, da die Vorinstanz erst zwei Monate nach Erhebung der Laienbeschwerde in einem Verfahren wegen Freiheitsentzugs entschieden habe. Da das Strafverfahren noch hängig und unklar sei, wie das Strafgericht die Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche behandeln werde, müsse das vorliegende Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss sistiert werden. Der Klärung, wer für die Rechtskraftbescheinigung sowie die Genugtuungs- und Entschädigungsforderungen zuständig sei, komme grundsätzliche Bedeutung zu. Es wäre deshalb auch zu entscheiden, ob ein solcher Vollzugsbefehl nichtig sei und nach Ablauf der zehntägigen Beschwerdefrist die sofortige Entlassung beantragt werden könne.
Der Beschwerdeführer bringt in sachlicher Hinsicht weiter vor, er habe am 12. Mai 2018 eine Busfahrt von Deutschland an seinen Wohnort in Italien gebucht. Beim Kauf der Fahrkarte sei ihm zugesichert worden, dass der Flixbus nicht über die Schweiz nach Italien fahre. Der Bus sei aber an die Schweizer Grenze gefahren. Ihm sei die Einreise verweigert worden. Am 8. Februar 2021 habe er mit Freunden über Frankreich zurück nach Italien fahren wollen. Der Lenker sei im Dreiländereck falsch eingespurt und habe auf der Autobahn nicht wenden können; er habe auf französischem Staatsgebiet angehalten und einen Grenzbeamten herbeigewunken, um diesen zu fragen, was zu tun sei, da er nicht in die Schweiz einreisen dürfe. In der Folge sei er verhaftet worden. Er habe keine Kenntnis vom Strafbefehl gehabt und nicht gewusst, weshalb er verhaftet werde. Den Vollzugsbefehl vom 9. Februar 2021 habe er nicht verstanden. Verwandte hätten für ihneinen Rekurs auf Französisch verfasst, den er unterzeichnet und der Vorinstanz eingereicht habe. Ein Mithäftling habe ihm die Telefonnummer der Anwältin gegeben. Mit Zustellung der Akten habe er erstmals Kenntnis vom Strafbefehl erhalten (Beschwerde Ziff. 15).
2.2. Die Vorinstanz führt aus, ein Rekurs sei binnen 10 Tagen nach Zustellung der Verfügung einzureichen. Die Verfügung vom 9. Februar 2021 sei dem Beschwerdeführer am 11. Februar 2021 ausgehändigt worden. Seine Eingabe vom 8. März 2021 sei nicht innert Frist erfolgt. Auf den Rekurs sei nicht einzutreten. Eine Fristwiederherstellung sei nicht möglich. Er mache in keinem seiner Schreiben auch nur ansatzweise geltend, warum er seine Eingabe vom 8. März 2021 nicht bereits innert Frist habe machen können. Ob der Strafbefehl in Rechtskraft erwachsen sei, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Mangelnde Sprachkenntnisse bildeten keinen Grund für die Wiederherstellung einer Frist. Auch wären die Rügen in Anwendung des Rügeprinzips nicht geeignet, die angefochtene Vollzugsverfügung in Frage zu stellen.
 
Erwägung 2.3
 
2.3.1. Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen (Art. 31 Abs. 2 BV). Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde (Art. 29a BV). Die beschuldigte Person muss die Möglichkeit haben, die ihr zustehenden Verteidigungsrechte geltend zu machen (BGE 147 IV 518 E. 3.1). Analoge grundrechtliche Garantien ergeben sich auch aus Art. 5 und Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
2.3.2. Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund des StGB ausgefällten Urteile (Art. 372 Abs. 1 StGB). Der Vollzug von Strafen und somit auch der hier fragliche Strafantritt richten sich grundsätzlich nach kantonalem Recht (Art. 372 Abs. 1 StGB; Art. 439 Abs. 1 StPO). Die Vollzugsbehörde veranlasst mit dem Vollzugsbefehl (Art. 439 Abs. 2 StPO) den effektiven Eintritt des Verurteilten in eine Vollzugsanstalt (BGE 146 IV 267 E. 3.2.1).
2.3.3. Die beschuldigte Person kann gegen den Strafbefehl innert 10 Tagen bei der Staatsanwaltschaft schriftlich Einsprache erheben (Art. 354 Abs. 1 lit. a StPO). Ohne gültige Einsprache wird der Strafbefehl zum rechtskräftigen Urteil (Art. 354 Abs. 3 StPO). Die zehntägige Einsprachefrist beginnt einen Tag nach der Mitteilung des Strafbefehls zu laufen (Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 354 Abs. 1 StPO; BGE 147 IV 518 E. 3.1).
2.3.4. Mangels Einsprache wurde der Strafbefehl vom 29. Oktober 2018 grundsätzlich rechtskräftig und vollstreckbar. Auf diesen Strafbefehl gestützt verfügte die Vollzugsbehörde gegen den aufgrund der RIPOL-Ausschreibung verhafteten Beschwerdeführer den Vollzugsbefehl vom 9. Februar 2021. Es ist nicht bestreitbar, dass die laienhafte Rekurs-Eingabe vom 8. März 2021 verspätet erfolgte. Das ist indessen beim zu beurteilenden Freiheitsentzug angesichts des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzes und der in casu geforderten Amtsermittlungspflicht nicht ausschlaggebend. Wie sich ergibt, liegt die Problematik bei der rein formalistischen vollzugsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Prüfungsweise der zuständigen Behörden. Eine Nichtigkeit des Straf- und des Vollzugsbefehls blieb ungeklärt, was den Rechtsgrund für die gerichtliche Beurteilung trotz verspäteten Rekurses bilden kann.
2.3.5. Sachlicher Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Vollzugsbefehl. Der Strafbefehl ist per se nicht Verfahrensgegenstand. Indessen ist aufgrund einer zwischenzeitlichen Einsprache gegen den Strafbefehl das Ausgangsstrafverfahren erneut bei der zuständigen Staatsanwaltschaft rechtshängig. Dabei bestreitet der inzwischen verbeiständete Beschwerdeführer den Strafbefehl sowohl unter dem Gesichtspunkt der Zustellung als auch in materiellrechtlicher Hinsicht. Die zuständige Staatsanwaltschaft schätzt den Strafbefehl als "nicht rechtskräftig" ein (oben E. 1.1) und wird über das weitere Vorgehen zu entscheiden haben. Fällt der Strafbefehl aufgrund der Einsprache dahin (BGE 142 IV 11 E. 1.2.2), nimmt sie die Beweise ab, die zur Beurteilung der Einsprache erforderlich sind (Art. 355 Abs. 1 StPO), und entscheidet gemäss Art. 355 Abs. 3 StPO über das weitere Vorgehen. Hält sie am Strafbefehl fest, überweist sie die Akten an das erstinstanzliche Gericht, das über die Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache entscheidet (Art. 356 Abs. 2 StGB; Urteil 6B_613/2021 vom 3. März 2022 E. 2.2). Denn nicht die Staatsanwaltschaft, sondern das erstinstanzliche Gericht ist zuständig, über die Gültigkeit des Strafbefehls zu entscheiden (Urteil 6B_883/2020 vom 15. April 2021 E. 2.1.2; zur Prüfung durch die Verfahrensleitung vgl. Art. 329 Abs. 1 und Art. 356 Abs. 5 StPO; BGE 141 IV 39 E. 1.5).
2.3.6. Bislang sind weder die Gültigkeit des Strafbefehls noch die Gültigkeit der Einsprache gerichtlich beurteilt. Eine fehlende rechtsgenügliche Zustellung ist durch das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 4. Mai 2021 entgegen der Beschwerde Ziff. 18 nicht "bewiesen", sondern angesichts der diesbezüglichen gerichtlichen Zuständigkeit (oben E. 2.3.5) zunächst bloss vom Beschwerdeführer prozessual behauptet. Ebenso unklar ist bislang, ob der Strafbefehl in der Sache zu Recht erfolgte oder nicht. Es lässt sich nicht bereits davon ausgehen, dass der Vollzugsbefehl auf keinem rechtskräftigen Urteil beruht (Beschwerde Ziff. 19). Ebenso unbehelflich ist der Einwand, der Vollzugsbefehl beruhe auf einem rechtswidrigen Realakt, weil "eine Person nicht in die Schweiz gelockt werden darf, damit sie verhaftet werden kann" (Beschwerde Ziff. 21, 40). Auch hier handelt es sich zurzeit nur um eine Tatsachenbehauptung.
Nach dem aktuellen Verfahrensstand liegen dem vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Anfechtung des Vollzugsbefehls) sowie dem strafrechtlichen Verfahren (Einsprache) somit lediglich die nachträgliche Einsprache gegen den Strafbefehl vom 29. Oktober 2018 zugrunde. Es besteht einzig diese Behauptung des Beschwerdeführers, der Strafbefehl sei formungültig zugestellt worden, immerhin gestützt auf ein Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 4. Mai 2021 an die Vollzugsbehörde.
 
Erwägung 2.4
 
2.4.1. Der Vollzug eines Entscheids setzt voraus, dass dieser in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. Art. 439 ff. StPO). Wie erwähnt, wird der Strafbefehl ohne gültige Einsprache zum rechtskräftigen (und damit vollstreckbaren) Urteil (Art. 354 Abs. 3 StPO). Dies setzt voraus, dass der Strafbefehl der zur Einsprache berechtigten Person schriftlich eröffnet wurde (Art. 353 Abs. 3 StPO; BGE 147 IV 518 E. 3.1 mit Darstellung der Zustellerfordernisse insbesondere bei ausländischem Wohnsitz). Nach konstanter Rechtsprechung obliegt der Behörde die Beweislast für die erfolgte Zustellung und das Datum der Zustellung (BGE 142 IV 125 E. 4.3). Die Behörde trägt somit auch die Konsequenzen eines fehlenden Nachweises, falls die Zustellung bestritten ist (BGE 129 I 8 E. 2.2; 124 V 400 E. 2a; Urteil 6B_164/2018 vom 9. April 2018 E. 2.2). Da Art. 354 Abs. 1 StPO nur die kurze Frist von 10 Tagen für die Einsprache vorsieht, ist es zentral, dass die betroffene Person ihre Rechte effektiv wahren kann und ihr das Ergreifen eines Rechtsmittels nicht unnötig erschwert oder verunmöglicht wird. Die Rechtsmittelfrist kann erst dann zu laufen beginnen, wenn die betroffene Person im Besitz aller für die erfolgreiche Wahrung ihrer Rechte wesentlichen Elemente ist (BGE 144 IV 57 E. 2.3.2).
Bei der Annahme eines Verzichts auf Einsprache ist zu beachten, dass auf den grundrechtlich garantierten gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 29a i.V.m. Art. 30 BV) nur der ausreichend informierte Beschuldigte wirksam verzichten kann (BGE 140 IV 82 E. 2.6). Wurde der Strafbefehl nicht gehörig zugestellt, erwächst er nicht in Rechtskraft und kann damit auch nicht vollstreckt werden. Er kann grundsätzlich keine Rechtswirkungen entfalten. Der Beweis der ordnungsgemässen Eröffnung sowie deren Datums obliegt der Behörde, die hieraus rechtliche Konsequenzen ableiten will (BGE 144 IV 57 E. 2.3; Urteil 6B_164/2018 vom 9. April 2018 E. 2.2).
2.4.2. In casu leiteten die Vollzugsbehörden aus dem Strafbefehl mit dem Rechtskraftvermerk sowie der RIPOL-Auschreibung die rechtliche Konsequenz des Vollzugsbefehls und damit des Freiheitsentzugs ab. Nach der massgebenden Feststellung der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) fehlte in den Akten der Vollzugsbehörde ein Zustellnachweis. Die Vorinstanz kann daher nicht ungeprüft annehmen, ob der Strafbefehl in Rechtskraft erwachsen sei, sei nicht Verfahrensgegenstand. Diese formalistische Betrachtungsweise übergeht die für jeden Vollzug einer Freiheitsstrafe entscheidwesentliche Rechtsfrage der Vollstreckbarkeit. Angesichts eines nicht aktenkundigen Zustellnachweises war die Vorinstanz als mit voller Prüfungsbefugnis ausgestattete Verwaltungsgerichtsbehörde zu einer näheren Abklärung veranlasst. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer in seiner Laienbeschwerde hinreichend deutlich machte, dass er den Vollzugsbefehl sprachlich nicht verstand und vom Strafbefehl keine Kenntnis hatte. Die letztere Behauptung des Beschwerdeführers erscheint umso plausibler, als er von der Grenzwache am 12. Mai 2018 mangels Sprachkenntnissen ohne Befragung formlos zu Fuss nach Deutschland zurückgeschickt worden war (oben Sachverhalt A.c). Ausserdem macht er ein aktenkundiges sprachliches Nichtverstehen des Vollzugsbefehls und damit eine fehlende Belehrung in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und fehlende Verteidigung geltend.
2.4.3. Zusammengefasst gingen sowohl die Vollzugsbehörde beim Erlass des Vollzugsbefehls wie das Verwaltungsgericht bei seinem Nichteintretensentscheid in rein formalistischer Verfahrensweise von einem rechtskräftigen und damit vollstreckbaren Strafbefehl aus. Beide Behörden verletzten damit ihre Amtsermittungspflicht. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung bei der Vollzugsbehörde und eine vorfrageweise Überprüfung des Strafbefehls. Sie konnte nicht lediglich auf einen Rechtskraftvermerk abstellen, da sie gleichzeitig das Fehlen eines Zustellnachweises in den Akten der Vollzugsbehörde feststellte und entsprechend davon ausgehen musste, dass auch diese die bei einem ins Ausland per Post versandten Strafbefehl wesentliche Rechtskraftvoraussetzung des dokumentierten Zustellerfordernisses nicht überprüft hatte. Trotz dieses wesentlichen Anhaltspunktes und der wenn auch laienhaften Bestreitung durch den Beschwerdeführer in seinem Rekurs verzichtete die Vorinstanz auf nähere Abklärungen. Diese wären umso mehr angezeigt gewesen, als eine mögliche Nichtigkeit des Vollzugsbefehls nicht von der Hand zu weisen war. Bereits im Vorfeld ihrer Entscheidung lehnte sie die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung mit Hinweis auf den in Betracht gezogenen Nichteintretensentscheid ab. Angesichts dieses rein formalistischen Vorgehens bei einem unter den dargelegten Umständen angefochtenen Freiheitsentzug käme die Annahme einer formellen Rechtsverweigerung durchaus in Betracht. Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen können diese Fragen wie jene nach der geltend gemachten Nichtigkeit des Strafbefehls bzw. des Vollzugsbefehls (vgl. BGE 131 III 448 E. 2.1; 129 I 361 E. 2, 2.3; 122 I 97 E. 3a/bb) sowie die weiter vorgebrachten Gehörsrechtsverletzungen bundesgerichtlich nicht beurteilt werden.
2.5. Nach Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG müssen beim Bundesgericht anfechtbare Entscheide die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten. Der vorinstanzliche Entscheid hat eindeutig aufzuzeigen, auf welchem festgestellten Sachverhalt und auf welchen rechtlichen Überlegungen er beruht (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1). Die Begründung ist u.a. mangelhaft, wenn der Entscheid jene tatsächlichen Feststellungen nicht trifft, die zur Überprüfung des eidgenössischen Rechts notwendig sind (BGE 119 IV 284 E. 5b). Genügt ein Entscheid den genannten Anforderungen nicht, kann das Bundesgericht ihn in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben. Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1; Urteile 6B_424/2022 vom 11. April 2022 E. 2.1.2; 6B_790/2021 vom 20. Januar 2021 E. 1.2.7; 6B_534/2020 vom 25. Juni 2020 E. 2.4).
Das Urteil ist mangels Sachverhaltsfeststellung nicht liquid. Es ist somit gemäss Art. 112 Abs. 3 BGG an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. SEILER, a.a.O., N. 47 f. zu Art. 112 BGG). Nach dieser Bestimmung kann - auch in Nachachtung des Beschleunigungsgebots von Art. 29 Abs. 1 BV - auf eine Vernehmlassung verzichtet werden, da diese bundesgerichtliche Entscheidung sachlich keine präjudizierende Wirkung entfaltet und die Vorinstanz bei der Neubeurteilung das rechtliche Gehör gewähren wird (BGE 133 IV 293 E. 3.4.2 f.; Urteile 6B_144/2022 vom 6. April 2022 E. 3.6; 6B_280/2021 vom 27. Mai 2021 E. 3.3.2; 6B_433/2020 vom 24. August 2020 E. 3; 6B_1066/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 4). Die Vorinstanz wird u.a. auch eine Sistierung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bis zum Abschluss des Einsprache- bzw. Strafverfahrens prüfen, wie das vorinstanzlich beantragt wurde (oben Sachverhalt B.f).
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Aufhebung des Urteils gilt als Obsiegen des Beschwerdeführers (SEILER, a.a.O., N. 48 zu Art. 112 BGG). Entsprechend sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Basel-Stadt ist zu verpflichten, dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die Parteientschädigung ist praxisgemäss der Rechtsanwältin auszurichten (analoge Anwendung von Art. 64 Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gegenstandslos geworden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 7. Mai 2021 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Der Kanton Basel-Stadt wird verpflichtet, Advokatin Angela Agostino eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. Juni 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied:
 
Der Gerichtsschreiber: