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Bearbeitung, zuletzt am 07.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 8C_703/2021 vom 28.06.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
8C_703/2021
 
 
Urteil vom 28. Juni 2022
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
 
Gerichtsschreiber Walther.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Gandi Calan,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. September 2021 (IV 2020/43).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
Der 1976 geborene A.________ meldete sich am 12. Dezember 2006 erstmals bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, weil er aufgrund eines Unfalls vom 1. September 2005 den rechten Daumen nicht mehr richtig einsetzen könne. Mit Verfügung vom 27. Januar 2009 verneinte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (nachfolgend: IV-Stelle) einen Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 10 %.
Am 17. Mai 2018 meldete sich A.________ wegen Depressionen, Panikattacken, Rückenschmerzen bzw. einer Rückenoperation vom 3. November 2017, einer Operation am rechten Knie "2010/11" und einer 2017 erfolgten Operation an der linken Hand erneut zum Leistungsbezug an. Gestützt auf ein polydisziplinäres Gutachten der MGSG Medizinisches Gutachtenzentrum Region St. Gallen GmbH (nachfolgend: MGSG) vom 9. September 2019 verneinte die IV-Stelle bei einem Invaliditätsgrad von 30 % wiederum einen Rentenanspruch (Verfügung vom 20. Januar 2020).
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 15. September 2021 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Verfügung der IV-Stelle vom 20. Januar 2020 seien ihm die gesetzlichen Leistungen, insbesondere eine Invalidenrente, zuzusprechen. Zudem beantragt er die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung.
 
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4).
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 20. Januar 2020 verfügte Verneinung eines Rentenanspruchs bestätigte.
3.
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs massgebenden Grundlagen richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).
4.
Die Vorinstanz erwog, die IV-Stelle sei auf die Wiederanmeldung des Beschwerdeführers vom 17. Mai 2018 eingetreten und habe das polydisziplinäre MGSG-Gutachten vom 9. September 2019 eingeholt. In Einklang mit der IV-Stelle stellte sie auf das Gutachten ab, in welchem als Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit eine Schmerzpersistenz nach Quetschtrauma des Daumenendglieds rechts 2005, eine Läsion des medialen Restmeniskus sowie eine Chondropathie des medialen Femurcondylus, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode bei Zustand nach Anpassungsstörungen mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10: F33.1 und F43.21) sowie eine Agoraphobie (ICD-10: F40.0) erhoben wurden. Gemäss den beweiswertigen orthopädischen und neurologischen Teilgutachten sei der Beschwerdeführer in einer adaptierten Tätigkeit aus somatischer Sicht voll arbeitsfähig. Der psychiatrische Gutachter Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, habe festgehalten, seit einer Operation der Lendenwirbelsäule im November 2017 lasse sich eine Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes mit anhaltender mittelgradiger depressiver Episode erheben. Seine interdisziplinär massgebende Einschätzung, wonach in angepassten Tätigkeiten bei zeitlich voller Arbeitsfähigkeit eine Leistungseinbusse von 30 % bestehe, erscheine schlüssig und nachvollziehbar. Die nach dem strukturierten Beweisverfahren massgeblichen Indikatoren seien ebenfalls berücksichtigt worden, weshalb von einer 70%igen Arbeitsfähigkeit in angepassten Tätigkeiten auszugehen sei.
In erwerblicher Hinsicht bejahte die Vorinstanz die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit und bestätigte das von der IV-Stelle anhand der Tabellenlöhne der Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik des Jahres 2016 (Tabelle TA1, Kompetenzniveau 1, Männer) ermittelte Validen- und Invalideneinkommen von Fr. 66'804.- bzw. Fr. 46'763.-. Einen leidensbedingten Abzug erachtete sie als nicht gerechtfertigt, womit im Einkommensvergleich eine Erwerbseinbusse von Fr. 20'041.- und damit ein Invaliditätsgrad von rund 30 % resultierte.
5.
Was der Beschwerdeführer hiergegen vorbringt, ist offensichtlich unbegründet.
5.1. Soweit er den Beweiswert des psychiatrischen Teilgutachtens des Dr. med. B.________ bestreitet, weil dieser sich nicht mit dem Bericht der behandelnden med. pract. C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 6. Juli 2018 auseinandergesetzt habe, kann ihm nicht gefolgt werden. Nicht nur ging Dr. med. B.________ auf den fraglichen Bericht ein, sondern schloss sich der Diagnosestellung der med. pract. C.________ sogar ausdrücklich an. Dass er hierbei, anders als die behandelnde Psychiaterin, betreffend die anhaltende Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) nicht von der Unterkategorie einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10: F45.41), sondern von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.40) ausging, vermag keine konkreten Indizien gegen die Zuverlässigkeit seines Teilgutachtens zu begründen, stehen für die Belange der Invalidenversicherung ohnehin nicht die diagnostischen Einschätzungen, sondern die Auswirkungen der Erkrankung auf die Arbeitsfähigkeit im Vordergrund (BGE 136 V 279 E. 3.2.1). In diesem Zusammenhang begründete der Gutachter unter Verweis auf die verbliebenen Ressourcen des Beschwerdeführers im Haushalt, in der Gestaltung des Alltags und im Sozialleben denn auch explizit und nachvollziehbar, weshalb er der von med. pract. C.________ beschriebenen vollen Arbeitsunfähigkeit nur "teilweise" zustimmen könne (zur Erfahrungstatsache, wonach behandelnde Ärzte im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen mitunter eher zugunsten ihrer Patienten aussagen vgl. BGE 135 V 465 E. 4.5; 125 V 351 E. 3a/cc; Urteil 8C_736/2021 vom 22. März 2022 E. 5.2). Entgegen dem Beschwerdeführer durfte die Vorinstanz demnach in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung (vgl. zum Ganzen BGE 144 V 361 E. 6.5) auf das psychiatrische Teilgutachten des Dr. med. B.________ und die von ihm postulierte Arbeitsfähigkeit abstellen, ohne den Untersuchungsgrundsatz oder sonstiges Bundesrecht zu verletzen.
5.2. In erwerblicher Hinsicht macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, seine Restarbeitsfähigkeit nicht verwerten zu können. Dabei beschränkt er sich jedoch auf eine wortwörtliche Wiederholung der bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Argumente. Mit diesen hat sich die Vorinstanz bereits einlässlich auseinandergesetzt und erwogen, dass trotz der beschwerdeweise geltend gemachten Einschränkungen, des Alters sowie der langjährigen Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Erwerbsleben nicht davon ausgegangen werden könne, dass auf dem hypothetisch ausgeglichenen Arbeitsmarkt keine geeigneten Stellen im Bereich Produktion oder Lagerbewirtschaftung - etwa einfache Überwachungs-, Prüf- und Kontrolltätigkeiten oder die Bedienung von (halb-) automatischen Maschinen oder Produktionseinheiten - existierten. Mit diesen einleuchtenden und schlüssigen vorinstanzlichen Erwägungen, auf welche verwiesen wird, setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Weitere Erörterungen erübrigen sich an dieser Stelle.
5.3. Auch die Rügen zum leidensbedingten Abzug stellen grösstenteils eine wörtliche Wiederholung der Beschwerde an das kantonale Gericht dar. Letzteres hat auch in diesem Zusammenhang einlässlich dargelegt, weshalb die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Faktoren, namentlich die leidensbedingten Einschränkungen, die langjährige Abwesenheit vom Berufsleben, die schlechten Deutschkenntnisse, die fehlende berufliche Qualifikation und die ausländische Staatsangehörigkeit keinen leidensbdingten Abzug zu rechtfertigen vermögen. Auch darauf kann verwiesen werden. Soweit der Beschwerdeführer dafür hält, kein Deutsch zu können, weshalb er bei der Begutachtung bei der MGSG auf einen Gutachter angewiesen gewesen sei, ist einerseits darauf hinzuweisen, dass mangelnde Sprachkenntnisse, wie von der Vorinstanz dargelegt, beim hier anwendbaren Kompetenzniveau 1 regelmässig keinen Tabellenlohnabzug begründen (Urteil 9C_702/2020 vom 1. Februar 2021 E. 6.3.2). Zum anderen erhellt aus den Akten, dass namentlich die mehrstündige neurologische Begutachtung inkl. Exploration überwiegend auf Deutsch erfolgte, und die Sprachverständigung durch den Dolmetscher gemäss dem neurologischen Gutachter nur an verschiedenen Stellen erleichtert werden musste. Inwiefern die vorinstanzliche Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer könne sich durchaus auf Deutsch verständigen, offensichtlich unrichtig, d.h. geradezu willkürlich (vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2) sein sollte, ist nicht ersichtlich und wird in der Beschwerde auch nicht rechtsgenüglich dargetan.
6.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG ohne Durchführung eines Schriftenwechsels, mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt wird.
7.
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist (E. 6 hiervor), ist sie als aussichtslos im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGG zu bezeichnen (vgl. Urteil 8C_480/2021 vom 6. Dezember 2021 E. 6 mit Hinweisen). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist demnach abzuweisen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 28. Juni 2022
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Walther