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BGer 8C_136/2021 vom 07.04.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
8C_136/2021
 
 
Urteil vom 7. April 2022
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
 
Gerichtsschreiber Walther.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Kaija Niehus, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Revision, Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Dezember 2020 (IV.2020.00044).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________, geboren 1970, arbeitete ohne Berufsausbildung in verschiedenen Stellen im Gastgewerbe und meldete sich am 19. September 1995 wegen einer Resektion der ersten Rippe und eines Kompressionssyndroms links erstmals bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die von der IV-Stelle des Kantons Zürich (nachfolgend: IV-Stelle oder Beschwerdegegnerin) daraufhin gewährten beruflichen Massnahmen (Einarbeitung als Bürohilfskraft und eine Ausbildung an der Eintageshandelsschule mit Bürofachdiplom) wurden per Ende Februar 1998 abgeschlossen. Vom 6. Januar bis zum 2. Juli 1999 fand A.________ eine Anstellung als Datenerfasserin.
Am 25. Januar 2000 meldete sie sich wegen einer Zunahme der Beschwerden und der Folgen eines am 18. April 1998 erlittenen Autounfalls erneut zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 2. April 2001 sprach ihr die IV-Stelle, ausgehend von einer Arbeitsfähigkeit in angepassten (Büro-) Tätigkeiten von 50 % und einem Invaliditätsgrad von 40 %, ab 18. April 1999 eine Viertelsrente und ab 1. Oktober 2000 eine halbe Härtefallrente zu. Anlässlich zweier Revisionsverfahren wurde die Rente zunächst per 1. Mai 2003 auf eine Viertelsrente herabgesetzt und sodann - basierend auf einem von der Suva mit Verfügung vom 22. Juli 2002 ermittelten Invaliditätsgrad von 55 % - rückwirkend ab 1. August 2002 wieder auf eine (ordentliche) halbe Rente erhöht (Verfügungen vom 12. März 2003 und 21. Juli 2004).
Ein weiteres Revisionsgesuch der A.________ vom 23. Januar 2005 wies die IV-Stelle mit Verfügung vom 15. Februar 2006 mangels einer relevanten Änderung der Verhältnisse ab. Auf Einsprache der Versicherten hielt sie daran fest (Einspracheentscheid vom 3. Oktober 2006), was vom Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 10. März 2008 bestätigt wurde. Im Februar 2011 und Juni 2016 von Amtes wegen eingeleitete Revisionsverfahren führten zu keiner Änderung des Rentenanspruchs.
A.b. Am 27. April 2017 ersuchte A.________ die IV-Stelle wegen einer Verschlechterung des Gesundheitszustands erneut um eine Rentenrevision. Die IV-Stelle veranlasste eine polydisziplinäre Begutachtung bei der estimed AG in Zug (Expertise vom 4. November 2018) und eine psychiatrische Begutachtung bei Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (Expertise vom 11. Februar 2019). Mit Verfügung vom 10. Dezember 2019 wies sie das Gesuch mangels einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes ab.
B.
Die hiergegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Urteil vom 17. Dezember 2020).
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei ihr ab 1. Mai 2017 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit zu weiteren medizinischen Abklärungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Während die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. Am 11. Mai 2021 lässt A.________ eine weitere Eingabe einreichen. Am 4. April 2022 reicht sie unaufgefordert eine weitere Stellungnahme ein.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig (willkürlich), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es genügt somit nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Willkür liegt insbesondere vor, wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche grundlos ausser Acht gelassen hat. Solche Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).
1.3. Die letztinstanzlich neu aufgelegten Unterlagen im Zusammenhang mit der von der Beschwerdeführerin erstatteten Strafanzeige gegen verschiedene Gutachter datieren nach dem angefochtenen Urteil und haben als echte Noven von vornherein ausser Acht zu bleiben (BGE 143 V 19 E. 1.2 mit Hinweisen). Sie wären ohnehin nicht entscheidwesentlich: Der (bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren erwähnte) Umstand, dass die Beschwerdeführerin Strafanzeige gegen die Gutachter der estimed und Dr. med. B.________ erstattete, ist für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht relevant, zumal sich dem Schreiben der Staatsanwaltschaft des Kantons X.________ vom 19. November 2021 entnehmen lässt, dass das Verfahren gegen Dr. med. C.________ eingestellt wurde und in den übrigen Verfahren noch keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt.
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 10. Dezember 2019 verfügte Verneinung einer Erhöhung der Invalidenrente bestätigte.
 
Erwägung 3
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die Modalitäten der Revision einer Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG), insbesondere der zu vergleichenden Zeitpunkte (BGE 133 V 108; in BGE 143 V 77 nicht, jedoch in SVR 2017 IV Nr. 51 S. 152 publ. E. 2.2 des Urteils 9C_297/2016) und der Revidierbarkeit der Rente bei einer wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes bzw. bei veränderten Auswirkungen auf den Erwerbs- oder Aufgabenbereich (BGE 144 I 103 E. 2.1) zutreffend wiedergegeben. Darauf kann ebenso verwiesen werden wie auf die vorinstanzlichen Ausführungen zum Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG), zur freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) sowie zu den beweisrechtlichen Anforderungen an Arztberichte im Allgemeinen (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a).
3.2. Zu ergänzen bzw. hervorzuheben ist folgendes:
3.2.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19.6.2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar.
3.2.2. Das Gericht darf den von Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten, den Anforderungen der Rechtsprechung genügenden Gutachten externer Spezialärzte vollen Beweiswert zuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4.4).
4.
Die Vorinstanz erwog, Vergleichsbasis bilde der Zeitraum zwischen dem Einspracheentscheid vom 3. Oktober 2006 und der Verfügung vom 10. Dezember 2019. Der Einspracheentscheid habe (unter anderem) auf dem neuropsychologischen Bericht der Klinik D.________ vom 28. Oktober 1998, dem Bericht des behandelnden Prof. Dr. med. E.________, Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation, vom 17. März 2005 und der Stellungnahme des Suva-Kreisarztes Dr. med. F.________ vom 25. Oktober 2005 basiert. In der Klinik D.________ seien kognitiv deutliche Hinweise auf eine Störung der Exekutiv- sowie Aufmerksamkeitsfunktionen gefunden worden. Prof. Dr. med. E.________ habe auf ein beidseitiges schweres und invalidisierendes Thoracic-outlet-Syndrom, eine seit zwei Jahren progrediente generalisierte Myotendinose sowie intermittierend auftretende Phasen einer Subdepression verwiesen und angesichts der zwei Jahre zuvor "angestrebten" Arbeitsfähigkeit von 50 % festgehalten, keine höhere Arbeitsbelastbarkeit als 40 % attestieren zu können. Dr. med. F.________ habe dazu insofern Stellung genommen, als das nicht genau definierte Krankheitsbild der generalisierten Myotendinose Ausdruck einer psychosomatischen Entwicklung wie die Fibromyalgie sei. Eine Einschätzung der Belastbarkeit sei diesbezüglich ausserordentlich schwierig, wobei die (durch Prof. Dr. med. E.________ postulierte) Differenzierung von 10 % so nicht möglich sei.
Weiter erwog das kantonale Gericht, in der Verfügung vom 10. Dezember 2019 habe die IV-Stelle im Wesentlichen auf die beweiswertigen Gutachten der estimed vom 4. November 2018 und des Dr. med. B.________ vom 11. Februar 2019 abgestellt. Die estimed-Gutachter hätten als Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit ein chronisches Panvertebralsyndrom (bei Fehlhaltung und Fehlbelastung der Wirbelsäule und muskulärer Dysbalance), chronische Spannungskopfschmerzen sowie eine leichte bis mittelstarke kognitive Störung und verminderte psychomentale Dauerbelastbarkeit festgehalten. Interdisziplinär bestehe in der angestammtenten Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit von 100 %, in einer Verweistätigkeit eine solche von 30-50 %, wobei diesbezüglich die Überlegungen im neuropsychologischen Teilgutachten hinsichtlich der kognitiven Störung massgeblich wären. Eine somatisch begründete Verschlechterung des Gesundheitszustandes hätten die estimed-Gutachter nicht erkennen können. Dr. med. B.________ habe in seinem Gutachten Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit ausgeschlossen und erläutert, bei fehlenden Hinweisen auf psychische Probleme mit Krankheitswert auf psychiatrischem Fachgebiet seit mindestens 2005 keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mehr attestieren zu können. Die Verhältnisse der Beschwerdeführerin hätten sich zwischen dem Einspracheentscheid vom 3. Oktober 2006 und der Verfügung vom 10. Dezember 2019 somit nicht anspruchsrelevant verändert, weshalb es an einem Revisionsgrund fehle.
5.
Im Zusammenhang mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; zur daraus fliessenden Begründungspflicht vgl. BGE 145 IV 99 E. 3.1 mit Hinweisen) macht die Beschwerdeführerin zunächst pauschal geltend, die Vorinstanz habe sich "nicht mit den aktenkundigen Beanstandungen hinsichtlich der Begutachtungen auseinandergesetzt". Um welche "aktenkundigen" Beanstandungen es sich handelt, wird beschwerdeweise nicht weiter erläutert, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist (vgl. zur Rügepflicht E. 1.1 hiervor). Das Vorbringen, die Vorinstanz habe "den Umstand nicht gewürdigt, wonach die fachärztliche Kritik am estimed-Gutachten mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin korreliere", war in der kantonalen Beschwerde nicht enthalten. Eine Gehörsverletzung ist diesbezüglich schon von vornherein nicht ersichtlich; mit Blick auf den Verfahrensausgang (E. 6.2 hiernach) erübrigen sich indes weitere Erörterungen zu diesem Punkt.
 
Erwägung 6
 
6.1. In materieller Hinsicht bestreitet die Beschwerdeführerin im Wesentlichen die Beweiskraft der polydisziplinären estimed-Expertise und des psychiatrischen Gutachtens des Dr. med. B.________, wobei sie gegenüber der Vorinstanz eine Fülle von Willkürrügen erhebt. Zusammenfassend stellt sie sich auf den Standpunkt, das kantonale Gericht sei in Willkür verfallen, indem es nicht auf das schlüssige neuropsychologische Teilgutachten abgestellt, sondern gestützt auf die nicht beweiswertigen orthopädischen, neurologischen und internistischen Teilgutachten, die Konsensbeurteilung des estimed-Gutachtens sowie das psychiatrische Gutachten des Dr. med. B.________ eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes verneint habe.
6.1.1. Willkür erblickt sie zunächst im Umstand, dass die Vorinstanz auf das estimed-Gutachten abstellte, obwohl die IV-Stelle sich nicht mit den von der Beschwerdeführerin heimlich angefertigten Aufnahmen verschiedener Begutachtungen auseinandergesetzt und damit die Untersuchungspflicht wie auch den Anspruch auf rechtliches Gehör grob verletzt habe. Diesbezüglich kann ihr nicht gefolgt werden. Zum einen wurde diese Rüge im Beschwerdeverfahren vor dem kantonalen Gericht nicht erhoben. Zum anderen schilderte die Beschwerdeführerin gegenüber der IV-Stelle bereits mit aktenkundiger E-Mail vom 17. Juli 2019 ausführlich den Inhalt der Aufnahmen der Begutachtungen bei den Dres. med. G.________, Facharzt für Neurologie, H.________, Facharzt für Chirurgie, und B.________. Inwiefern die heimlichen Tonaufnahmen hinsichtlich des Beweiswerts der Gutachten von entscheidwesentlicher Bedeutung sein sollen, ist anhand der Akten nicht ersichtlich und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht im Ansatz dargetan. Soweit die IV-Stelle auf eine Auswertung der Aufnahmen verzichtete, ist darin nach dem Gesagten weder eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes noch des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu erblicken (zur zulässigen antizipierten Beweiswürdigung vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3). Die Frage, ob die IV-Stelle die Tonaufnahmen zu Recht als widerrechtlich einstufte und schon deshalb auf deren Auswertung verzichten durfte, bedarf an dieser Stelle keiner Vertiefung (vgl. zum Ganzen: Urteil 8C_7/2020 vom 3. November 2020 E. 3.2.2 mit Hinweisen).
6.1.2. Ins Leere zielt die Beschwerdeführerin ferner, soweit sie das estimed-Gutachten unter Hinweis auf die Stellungnahme des behandelnden Prof. Dr. med. E.________ vom 10. Mai 2019 in Zweifel zu ziehen versucht. Betreffend dessen Auffassung, die estimed-Gutachter hätten verschiedene Standardtests unterlassen, ist darauf hinzuweisen, dass den Gutachtern bei der Wahl der Untersuchungsmethoden wie auch bei der Auswahl der vorzunehmenden fachärztlichen Abklärungen rechtsprechungsgemäss ein weiter Ermessensspielraum zukommt (Urteil 8C_153/2021 vom 10. August 2021 E. 5.2). In Bezug auf die von Prof. Dr. med. E.________ postulierte generalisierte Myotendinose mit nachweisbarem Übergang in eine Fibromyalgie hat sodann bereits die Vorinstanz schlüssig erwogen, der behandelnde Arzt habe die attestierten Beschwerden und Diagnosen schon im Rahmen des 2006 durchgeführten Revisionsverfahrens beschrieben. Seine zahlreichen, von 1998 bis 2017 datierenden Berichte inklusive Schilderung der entsprechenden Problematik lagen den estimed-Gutachtern denn auch vor. Nachdem er mit Bericht vom 10. Mai 2019 im Wesentlichen an der (bereits seit mehr als 20 Jahren) geschilderten Verschlechterung des Gesundheitszustandes festhielt, durfte die Vorinstanz ohne Willkür schliessen, er mache keine konkreten Aspekte namhaft, die den Gutachtern entgangen wären (vgl. statt vieler: Urteil 8C_631/2021 vom 7. Dezember 2021 E. 6.2.1).
6.1.3. Nicht stichhaltig ist sodann, was die Beschwerdeführerin gegen das internistische Teilgutachten der Dr. med. I.________, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, vorbringt. Entgegen der Behauptung in der Beschwerde ergibt sich aus der Systemanamnese und der Befunderhebung des internistischen Teilgutachtens ohne Weiteres, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Begutachtung auf die geklagten Magen-, Nasen-, Gesichts- und Kieferschmerzen wie auch auf die Nieren-, Atem- und Zahnprobleme hin untersucht wurde. Der pauschale Einwand, Dr. med. I.________ habe die im Gutachten vermerkten körperlichen Untersuchungen nicht getätigt, ist nicht nachvollziehbar, erwähnte die Beschwerdeführerin doch mit aktenkundiger E-Mail vom 19. April 2018, d.h. einen Tag nach der internistischen Begutachtung gegenüber der IV-Stelle verschiedene der - neuerdings bestrittenen - Untersuchungen. Inwiefern die Vorinstanz in Willlkür verfallen sein oder sonstwie Bundesrecht verletzt haben soll, indem sie dem internistischen Teilgutachten Beweiswert zusprach, ist nach dem Gesagten nicht ersichtlich.
6.1.4. Nicht durchzudringen vermag die Beschwerdeführerin ferner mit ihren Rügen hinsichtlich des neurologischen Teilgutachtens des Dr. med. C.________, Facharzt für Neurologie, und der von Dr. med. G.________ ergänzend durchgeführten Elektroneurografie (ENMG). Die Behauptung, auch Dr. med. C.________ habe verschiedene im Gutachten aufgeführte Untersuchungen nicht durchgeführt, erscheint angesichts der bereits aufgezeigten Widersprüche in den entsprechenden Schilderungen der Beschwerdeführerin (vgl. E. 6.1.3 hiervor) von vornherein nicht plausibel. Bezüglich ihrer laienhaften Mutmassungen zur Qualität der ENMG-Untersuchung vom 26. März 2018 durch Dr. med. G.________ ist festzuhalten, dass die Qualität dieser Untersuchung bis anhin von keiner medizinischen Fachperson kritisiert wurde. Auch diesbezüglich ist im Verzicht der IV-Stelle auf die Einholung weiterer Unterlagen bei Dr. med. G.________ keine Bundesrechtswidrigkeit zu erblicken (vgl. zur antizipierten Beweiswürdigung E. 6.1.1 hiervor). Soweit die Vorinstanz dem neurologischen Teilgutachten Beweiswert zusprach, ist darin keine Willkür erkennbar.
6.1.5. Als unbehelflich erweisen sich auch die Einwände der Beschwerdeführerin gegen das psychiatrische Gutachten des Dr. med. B.________. Einerseits sind die im neuropsychologischen Teilgutachten erwähnten Hinweise auf ein mögliches psychisches Beschwerdebild nicht aus fachärztlich-psychiatrischer Warte erfolgt, zeichnete für die genannte Expertise doch nicht - wie in der Beschwerde behauptet - Dr. med. J.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, verantwortlich, sondern die Neuropsychologin lic. phil. K.________ und Dipl.-Psych. L.________, Fachpsychologin für Neuro- und Psychotherapie. Dass Dr. med. B.________ ungeachtet dieser Hinweise eine psychiatrische Problematik letztlich ausschloss, begründet entgegen der Beschwerdeführerin insgesamt keine Zweifel an der Zuverlässigkeit seines Gutachtens.
Auch dass die Vorinstanz die geltend gemachte Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes zwischen der Begutachtung durch Dr. med. B.________ und der Verfügung vom 19. Dezember 2019 verneinte, erscheint nicht als geradezu willkürlich. Im Rahmen seiner Stellungnahme vom 10. Februar 2020 berichtete Dr. med. M.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, zwar, die Beschwerdeführerin stehe nach notfallmässiger Intervention bei subakuter suizidaler Krise seit November 2019 bei ihm in Behandlung; zur Arbeitsfähigkeit äusserte sich der behandelnde Psychiater jedoch nicht, wobei eine im November 2019 eintretende Verschlechterung im Zeit punkt der Verfügung vom 10. Dezember 201 9 in Anlehnung an Art. 88a Abs. 2 IVV ohnehin nicht hätte berücksichtig t werden müssen (vgl. Urteil 9C_262/2019 vom 23. März 2020 E. 4.3).
6.1.6. Beizupflichten ist der Beschwerdeführerin allerdings, soweit sie letztinstanzlich erneut eine widersprüchliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit zwischen dem neuropsychologischen Teilgutachten und der gutachterlichen Konsensbeurteilung des estimed-Gutachtens geltend macht. Die Vorinstanz beschränkte sich diesbezüglich auf den Hinweis, die Chronifizierung der von den neuropsychologischen Gutachterinnen festgestellten, im Vergleich zu vor 20 Jahren gleich stark ausgeprägten kognitiven Störung vermöge eine relevante Veränderung für sich alleine nicht überwiegend wahrscheinlich zu machen. Damit übergeht sie jedoch den Umstand, dass die neuropsychologischen Gutachterinnen in angepassten Tätigkeiten eine Arbeitsunfähigkeit von 70 % entsprechend einer Anwesenheit von ca. 2.5 Stunden pro Tag postulierten. Dies steht in offenkundigem Widerspruch zur Konsensbeurteilung, wonach die massgebende neuropsychologische Beurteilung in angepassten Tätigkeiten eine Arbeitsunfähigkeit von 30-50 % ergeben habe. Welche der diametral voneinander abweichenden Einschätzungen der Arbeitsfähigkeit zutreffen sollte, lässt sich anhand des estimed-Gutachtens nicht feststellen. Indem die Vorinstanz der Konsensbeurteilung vollen Beweiswert beimass und auf die darin postulierte Arbeitsunfähigkeit von 30-50 % abstellte, verstiess sie gegen Art. 9 BV. Im Lichte des (diesbezüglich) von vornherein nicht schlüssigen estimed-Gutachtens kann auch nicht unbesehen auf die gutachterliche Verneinung einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes abgestellt werden. Das kantonale Gericht wird diesbezüglich weitere Abklärungen zu tätigen haben.
6.1.7. Auch auf das orthopädische Teilgutachten des Dr. med. H.________ kann nicht abgestellt werden. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde wies die Vorinstanz den im kantonalen Beschwerdeverfahren aufgelegten Bericht des Dr. med. N.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, vom 15. April 2020 zwar nicht einzig aufgrund zeitlicher Aspekte aus dem Recht (vgl. zum Ganzen Urteil 8C_295/2021 vom 9. August 2021 E. 3.4 mit Hinweis). Der Feststellung des kantonalen Gerichts, wonach Dr. med. N.________ weder eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit noch eine detaillierte Beschreibung der funktionellen Auswirkungen eines allfälligen Gesundheitsschadens vorgenommen habe, kann jedoch nicht ohne Weiteres gefolgt werden. Anders als der orthopädische Gutachter, welcher Bewegungsdefizite des Bewegungsapparates ausschloss und einen Einfluss des diagnostizierten Status nach Beckenfraktur auf die Arbeitsfähigkeit verneinte, schilderte Dr. med. N.________ - offenbar gestützt auf bildgebende Untersuchungen - ein komplett ankylotisches (eingesteiftes) Becken, welches zu einer ausgesprochen unphysiologischen Belastung beim Gehen führe und eine Kompensation der verminderten Beweglichkeit durch den lumbosakralen Übergang notwendig mache. Aufgrund sämtlicher Einschränkungen erkannte er eine praktisch dauerhafte, vollständige Arbeitsunfähigkeit. Die Diskrepanz zwischen der Einschätzung des Gutachters und jener des behandelnden Orthopäden sowohl in Bezug auf die Befunde als auch auf die Arbeitsfähigkeit sind nur schwerlich nachvollziehbar. Welche Auffassung zutreffen sollte, kann an dieser Stelle jedoch nicht festgestellt werden. Die Vorinstanz wäre auch in dieser Hinsicht zu weiteren Abklärungen gehalten gewesen, welche sie entsprechend tätigen wird.
6.2. Nach dem Gesagten basiert der vorinstanzliche Schluss, wonach sich die Verhältnisse der Beschwerdeführerin zwischen dem Erlass des Einspracheentscheids vom 3. Oktober 2006 und der Verfügung vom 10. Dezember 2019 nicht anspruchsrelevant verändert hätten, auf teilweise widersprüchlichen und nicht schlüssigen medizinischen Beurteilungen. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese ergänzende Abklärungen trifft. Gestützt darauf wird sie über die Beschwerde neu entscheiden.
7.
Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu weiterer Abklärung und neuem Entscheid mit noch offenem Ausgang gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten und den Anspruch auf Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie überhaupt beantragt oder ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder Eventualantrag gestellt wird (BGE 141 V 281 E. 11.1 mit Hinweis). Folglich sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG), die der Beschwerdeführerin überdies eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten hat (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Dezember 2020 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 10. Dezember 2019 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 7. April 2022
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Wirthlin
 
Der Gerichtsschreiber: Walther