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Bearbeitung, zuletzt am 04.08.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
BGer 8C_790/2021 vom 07.04.2022
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
Tribunal federal
 
[img]
 
 
8C_790/2021
 
 
Urteil vom 7. April 2022
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
 
Gerichtsschreiber Cupa.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Revision; Valideneinkommen),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. September 2021 (UV.2021.00016).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________, geboren 1972, war seit 2001 als Fassadenisolierer für die B.________ AG tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend: Suva oder Beschwerdegegnerin) gegen Unfallfolgen versichert. Am 9. Mai 2017 verunfallte er mit dem Fahrrad und zog sich diverse Verletzungen zu. Die Suva erbrachte hierfür die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld). Im Zuge einer unfallbedingten beruflichen Neuorientierung übte der Versicherte bei der bisherigen Arbeitgeberin seither die Funktion als Assistent der Projektleitung aus. Die Suva sprach ihm eine Integritätsentschädigung basierend auf einer Integritätseinbusse von 7.5 % sowie eine Rente ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 22 % zu (in Rechtskraft erwachsene Verfügung vom 14. August 2019).
A.b. Am 30. Oktober 2019 kündigte die B.________ AG dem Versicherten per 29. Februar 2020. Dieser machte mit Schreiben vom 14. November 2019 unter Verweis auf die Kündigung das Vorliegen eines Revisionsgrunds geltend. Die Suva verneinte das Vorliegen einer wesentlichen Veränderung seiner erwerblichen Situation (Verfügung vom 12. August 2020), woran sie auf A.________s Einsprache hin festhielt (Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2020).
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab, soweit es darauf eintrat (Urteil vom 30. September 2021).
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, die bestehende Invalidenrente der Unfallversicherung auf Basis eines Invaliditätsgrads von 22 % sei in Aufhebung des angefochtenen Urteils basierend auf einem Invaliditätsgrad von neu mindestens 27 % ab 1. März 2020 unbefristet zu erhöhen.
Das Bundesgericht verzichtete auf die Durchführung eines Schriftenwechsels.
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 145 V 304 E. 1.1; 145 II 153 E. 2.1).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Allerdings ist es im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 i.V.m. Art. 105 Abs. 3 BGG; vgl. BGE 140 V 136 E. 1.2.1).
 
Erwägung 2
 
2.1. Das kantonale Gericht hat die Gesetzesbestimmungen über die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Ermittlung des Invaliditätsgrads (Art. 16 ATSG) sowie den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG) und die Revision (Art. 17 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.2. Ergänzend ist auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Rentenrevision hinzuweisen: Anlass dazu gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar. Weiter sind, auch bei an sich gleich gebliebenem Gesundheitszustand, veränderte Auswirkungen auf den Erwerbs- oder Aufgabenbereich von Bedeutung. Hingegen ist die lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich (sog. materielle Revision, vgl. Art. 17 Abs. 1 ATSG; siehe statt vieler: BGE 147 V 167 E. 4.1; 147 V 161 E. 4.2; 144 V 418 E. 4.2; 141 V 9 E. 2.3).
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es das Valideneinkommen (vgl. zum Begriff E. 5.4 hernach) mit der Suva basierend auf den Arbeitgeberangaben zum zuletzt erzielten Lohn als Fassadenisolierer ermittelte anstatt auf Durchschnittswerte der Auszüge aus dem individuellen Konto (IK-Auszüge) abzustellen.
 
Erwägung 4
 
4.1. Die vorinstanzlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Revisionsgrunds (Art. 17 Abs. 1 ATSG; vgl. BGE 144 I 103 E. 2.1) bleiben unbestritten. Zudem steht fest, dass keine revisionsrelevante gesundheitliche Veränderung eintrat. Einigkeit besteht darüber, dass der Invaliditätsgrad mittels eines Einkommensvergleichs zu bestimmen ist und das Invalideneinkommen jährlich Fr. 69'266.- beträgt (gestützt auf die Tabelle TA1 der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung [LSE] des Bundesamtes für Statistik [BFS] für das Jahr 2018, Kompetenzniveau 1, Männer, indexiertes Total). Im Gegensatz zum vorinstanzlichen Verfahren erhebt der Beschwerdeführer vor Bundesgericht keine Einwände mehr gegen die Erheblichkeitsgrenze von mindestens 5 % zur Begründung einer wesentlichen Veränderung des Invaliditätsgrads (vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. a und Art. 31 Abs. 1 ATSG; BGE 145 V 141 E. 7.3.1; 140 V 85 E. 4.3; 133 V 545 E. 6.2; Urteil 8C_291/2021 vom 12. Oktober 2021 E. 3).
4.2. Weiter stellte das kantonale Gericht fest, die Beschwerdegegnerin habe mit Verfügung vom 14. August 2019 einen Invaliditätsgrad von 22 % ermittelt. Das Valideneinkommen, das der Beschwerdeführer als Fassadenisolierer im Jahr 2019 verdient hätte, würde bei einem Monatslohn von Fr. 6810.- und einem Bonus von Fr. 5000.- jährlich insgesamt Fr. 93'500.- betragen. Diesen Wert habe die Suva dem Invalideneinkommen gegenübergestellt, das er als Assistent der Projektleitung bei einem Monatslohn von Fr. 5450.- und einem Bonus von Fr. 2000.- in der Höhe von jährlich Fr. 72'850.- verdient habe. Die rechtskräftige Rentenberechnung vom 14. August 2019 markiere den massgeblichen Vergleichszeitpunkt (vgl. BGE 134 V 131 E. 3; 133 V 108 E. 5.4; SVR 2017 IV Nr. 51 S. 152, 9C_297/2016 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 143 V 77). Hiegegen erhebt der Beschwerdeführer keine Einwände.
 
Erwägung 5
 
5.1. Bei gegebener Ausgangslage ist das Valideneinkommen des Beschwerdeführers mit Blick auf seine beruflich-erwerbliche Situation umfassend ("allseitig") zu prüfen, wobei keine Bindung an frühere Beurteilungen besteht (vgl. Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 141 V 9 E. 2.3).
5.2. Die Vorinstanz erwog, die Suva habe das Valideneinkommen analog dem der Verfügung vom 14. August 2019 zugrunde liegenden Vorgehen ermittelt. Gestützt auf die schriftlichen Auskünfte der B.________ AG vom 11. August 2020 und 2. Dezember 2020 hätte das massgebliche Valideneinkommen bei einem Monatslohn von Fr. 6830.- für das Jahr 2020 dem Betrag von insgesamt Fr. 92'180.- entsprochen (inkl. Fr. 3390.- Bonus). Im Vergleich zum unbestrittenen Invalideneinkommen in der Höhe von Fr. 69'266.- (vgl. E. 4.1 hiervor) resultiere eine Einkommenseinbusse von Total Fr. 22'914.- und somit ein Invaliditätsgrad von 25 % (aufgerundet). Mit Blick auf den ursprünglich ermittelten Invaliditätsgrad von 22 % zeige sich eine Differenz von 3 %. Da die Erheblichkeitsgrenze von 5 % (vgl. E. 4.1 hiervor) nicht erreicht sei, liege keine wesentliche Veränderung der erwerblichen Situation vor.
5.3. Dementgegen vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, das Valideneinkommen sei als Durchschnittswert der zwischen 2002 und 2016 erzielten Einkommen gestützt auf die IK-Auszüge zu berechnen.
5.4. Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist prospektiv gesehen entscheidend, welches hypothetische Gehalt die versicherte Person überwiegend wahrscheinlich ohne Gesundheitsschaden tatsächlich erzielen würde (vgl. Art. 16 ATSG; BGE 145 V 141 E. 5.2.1; SVR 2022 UV Nr. 4 S. 12, 8C_134/2021 E. 3.2; Urteile 8C_715/2020 vom 21. Januar 2022 E. 2.; 8C_277/2016 vom 20. Juli 2016 E. 3.2). Es ist so konkret wie möglich festzusetzen (SVR 2021 UV Nr. 26 S. 123, 8C_581/2020 E. 6.1; 2019 UV Nr. 40 S. 149, 8C_53/2019 E. 6.2.1; Urteil 8C_715/2020 vom 21. Januar 2022 E. 3.1.1). Dabei ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst anzuknüpfen. Es entspricht der empirischen Erfahrung, dass die bisherige Tätigkeit in der Regel ohne gesundheitliche Beeinträchtigung fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen hievon müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (vgl. BGE 144 I 103 E. 5.3; 139 V 28 E. 3.3.2; SVR 2022 UV Nr. 4 S. 12, 8C_134/2021 E. 3.2).
5.5. Das kantonale Gericht zeigte dem Beschwerdeführer die hypothetische Lohnentwicklung anhand der Auskünfte der B.________ AG auf, wonach er im Jahr 2020 monatlich Fr. 20.- mehr verdient hätte als im Jahr zuvor (neu Fr. 6830.- anstatt Fr. 6810.-) und ihm ein reduzierter Bonus (neu Fr. 3390.- anstatt Fr. 5000.-) ausbezahlt worden wäre (vgl. E. 4.2 und E. 5.2 hiervor). Diese Lohnangaben der ehemaligen Arbeitgeberin sind konkret. Der Beschwerdeführer vermag demgegenüber keine Gründe aufzuzeigen, weshalb vom Grundsatz des Abstellens auf den zuletzt erzielten Verdienst (vgl. E. 5.4 hiervor) ausnahmsweise abzuweichen wäre. Er bringt zudem nicht vor, die von der B.________ AG genannten Lohnangaben für das Jahr 2020 seien unrichtig oder die gestützt darauf vorgenommenen Berechnungen der Suva seien fehlerhaft. Entsprechendes ist denn auch nicht ersichtlich. Ein auf den IK-Auszügen basierender Durchschnittswert bildet die entscheidrelevante hypothetische Lohnentwicklung nicht zuverlässiger ab als genau bezifferte Lohnangaben der letzten Arbeitgeberin. Somit bleiben vor dem Hintergrund des genannten Grundsatzes (vgl. BGE 144 I 103 E. 5.3) die Arbeitgeberangaben zum zuletzt erwirtschafteten Verdienst massgebend.
5.6. Angesichts dessen durfte das kantonale Gericht zur Ermittlung des Valideneinkommens bundesrechtskonform auf die Lohnangaben der B.________ AG für das Jahr 2020 abstellen. Als massgeblichen Vergleichswert legte die Vorinstanz zutreffend einen Invaliditätsgrad von 25 % fest, bei welchem in Gegenüberstellung mit dem ursprünglich ermittelten Invaliditätsgrad von 22 % eine Differenz von lediglich 3 % resultiert (vgl. E. 5.2 hiervor). Dieser Wert liegt unter dem revisionsrelevanten Erheblichkeitsgrenzwert von 5 % (siehe statt vieler: BGE 145 V 141 E. 7.3.1).
5.7. Folglich hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie das Valideneinkommen basierend auf den Arbeitgeberangaben zum zuletzt erzielten Lohn als Fassadenisolierer ermittelte und den Einspracheentscheid der Suva vom 2. Dezember 2020 schützte. Beim angefochtenen Urteil hat es mithin sein Bewenden.
6.
Ausgangsgemäss sind die Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 7. April 2022
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Wirthlin
 
Der Gerichtsschreiber: Cupa